Bericht 2012/2013 Überwachungskommission und Prüfungskommission TPG

11.08.12: Organspendeskandal: Steigende Zahl an beschleunigten Vermittlungsverfahren bei Transplantationen – Kommissionen und Verbände fordern mehr Transparenz und effizientere Kontrolle

11.08.12: Organspendeskandal: Steigende Zahl an beschleunigten Vermittlungsverfahren bei Transplantationen – Kommissionen, Bundesärztekammer, Deutsche Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband fordern mehr Transparenz und effizientere Kontrolle

Symbolbild OrganvergabeVor dem Hintergrund der Organspendeskandale in Göttingen und Regensburg der vergangenen Wochen kommen nun immer weitere brisante Fakten ans Licht. Wie jetzt bekannt wurde, werden offenbar seit einigen Jahren immer mehr Organe in den Transplantationszentren im so genannten „beschleunigten Verfahren“ an der offiziellen Warteliste vorbei verpflanzt. Hierauf machte der Grünen-Bundestagsabgeordneter Dr. Harald Terpe am 07.08.12 aufmerksam. Er verweist dabei auf die Zahlen in der Antwort der Bundesergierung vom 06.06.12 auf seine schriftliche Anfrage vom Mai.

Wie Terpe auf seiner Webseite ausführte, bedeutet das „beschleunigte Verfahren“, die Organe können aus bestimmten Gründen und unter bestimmten Voraussetzungen durch die transplantierenden Ärztinnen und Ärzte nach eigenem Ermessen verteilt werden. Das Verfahren wird laut Bundesärztekammer angewandt, wenn eine Organallokation nach einem der beiden patientengerichteten Vermittlungsverfahren, d.h. dem „Standardverfahren“ oder „modifizierten Vermittlungsverfahren“, misslingt oder der Verlust des Spenderorgans droht.

Mehr zu den einzelnen Vermittlungsverfahren in der umfassenden Presseerklärung von Bundesärztekammer und Eurotransplant zum sogenannten beschleunigten Vermittlungsverfahren.

Bundesregierung sieht keine Probleme bei dem Verfahren

In der Antwort der Bundesregierung heißt es vorweg: „Im Ergebnis ist festzuhalten, dass sowohl das Standardverfahren als auch das beschleunigte Vermittlungsverfahren „übliche Vermittlungsverfahren“ darstellen; beide folgen den Regeln der Bundesärztekammer nach § 16 Absatz 1 Nr. 5 TPG, so dass eine „Umgehung“ nach üblichen Allokationsregeln darin nicht zu sehen ist.“

OrgantransplantationLaut Auflistung der Zahlen einzelner Organvermittlungen aus den Jahren 2002 bis 2012 wurden dieses Jahr 25,8 Prozent aller Herzen, 30,3 Prozent aller Lungen, 37,1 Prozent aller Lebern und 43,7 Prozent aller Bauchspeicheldrüse im beschleunigten Verfahren vermittelt. Bei Bauchspeicheldrüsen lag der Anteil 2010 noch bei 22,3 Prozent, bei Lebern 2009 bei 30,7 Prozent, bei Lungen 2009 noch knapp 21 Prozent und 17,6 Prozent der Herzen in 2010.

„Dass die Anzahl der sogenannten beschleunigten Vermittlungsverfahren in den letzten Jahren für alle Organe gestiegen ist, liegt an einem deutlichen Ansteigen des mittleren Spenderalters und der damit einhergehenden ausgeprägten Zunahme des Anteils der Spender mit erweiterten Spenderkriterien. Pankreata von Spendern, die älter als 50 Jahre sind oder einen Body Mass Index von mehr als 30 aufweisen, werden im Übrigen seit 2011 gemäß den Richtlinien der Bundesärztekammer unmittelbar im sog. beschleunigten Vermittlungsverfahren angeboten“, begründet die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Ulrike Flach (FDP) die fragwürdigen Zahlen.

Doch nach Ansicht von Experten sind die Zahlen so alleine nicht zu erklären. Terpe verwies darauf, dass schon 2009 im Auftrag der Bundesregierung entstandenen IGES-Bericht die Manipulationsrisiken dieses Verfahrens beschrieben wurden. „Die Bundesregierung ist allerdings bislang noch nicht tätig geworden“, so der Grünen-Abgeordnete.

Gemeinsame Erklärung zu mehr Transparenz und Kontrolle

Als Reaktion auf die anhaltenden Organspendeskandale in Göttingen und Regensburg haben unterdessen in einer gemeinsamen Erklärung vom 9. August die Prüfungskommission und Überwachungskommission, Bundesärztekammer, Deutsche Krankenhausgesellschaft und der GKV-Spitzenverband mehr Transparenz und effizientere Kontrolle in der Transplantationsmedizin angemahnt.

„Die Kontrollen zur Anmeldung von Patienten für die Warteliste und der Organzuteilung sind stringent zu intensivieren. In diesem Zusammenhang soll das Mehraugenprinzip bei der Anmeldung von Wartelisten-Patienten in den Transplantationsrichtlinien verankert werden. Voraussetzung dazu sollte die verpflichtende Einrichtung von interdisziplinären Transplantationskonferenzen in den Transplantationszentren vor der Anmeldung von Patienten sein“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung.

Bei „nachgewiesenen schweren ärztlichen Fehlverhalten“ sei das Ruhen oder der Entzug der Approbation von den jeweils zuständigen Institutionen anzuordnen. Als letzte Konsequenz müsse im Falle von Fehlverhalten auch die vorübergehende oder dauerhafte Schließung von Transplantationsprogrammen durch die jeweils zuständigen Institutionen möglich sein.

Kritische Analyse des beschleunigten Vermittlungsverfahrens

„Verdachtsunabhängige flächendeckende Kontrollen müssen eingeführt werden, sind aber nur möglich, wenn auch die notwendigen Personal- und Finanzressourcen zur Verfügung gestellt werden. Die Transparenz muss durch Veröffentlichung von Prüfberichten verbessert werden“, heißt es weiter. „Dem durch die Unregelmäßigkeiten verständlicherweise geweckten besonderen Informationsinteresse von Parlament und Öffentlichkeit soll durch eine ständige Berichterstattung zur Lage der Organspende und -vermittlung entsprochen werden.“

Zur umfassenden Aufklärung der Vorgänge in den Transplantationszentren Göttingen und Regensburg soll die Arbeit der Kontrollgremien durch Sonderprüfer verstärkt werden, so die fünf Akteure. Ungeachtet der aktuell bekannt gewordenen Vorkommnisse werde „die kontinuierliche Optimierung der bestehenden Richtlinien zur patientenorientierten Organvermittlung“ fortgeführt. Dazu zähle auch „die kritische Analyse des beschleunigten Vermittlungsverfahrens.“ Bei diesem Verfahren handelt es sich nach den Richtlinien zur Organtransplantation der Bundesärztekammer um „schwer vermittelbare Organe“, die andernfalls verloren gingen. Ziel sei es, dies wieder zum eng definierten und transparenten Auswahlverfahren zu machen. „Hierzu finden bereits laufende Beratungen in der Ständigen Kommission Organtransplantation statt“, heißt es abschließend.

Für den 27.08.12 hat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr zu einem Treffen geladen. Medienberichten zufolge wird sich auch der Gesundheitsausschuss des Bundestages voraussichtlich am 14.09.12 in einer Sondersitzung mit möglichen Konsequenzen aus dem Organspendeskandal befassen. Der Termin bedürfe allerdings noch der Zustimmung des Bundestagspräsidenten, hieß es.

Mögliche Auswirkungen auf die Organspende-Bereitschaft

Ob und in welchem Ausmaß sich der Organspendeskandal auf die Spendebereitschaft auswirkt ist relativ unklar. Während die einen einen Rückgang befürchten, sei davon laut dem medizinischen Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), Günter Kirste in der ARD-Talkrunde „Beckmann“ vom 9. August nichts zu bemerken.

Allerdings befürchtet laut einer N24-Emnid-Umfrage vom 08.08.12 zu Organtransplantationen die Mehrheit der 1000 Befragten einen Missbrauch bei Organvergabe. Dennoch wären sie aber trotzdem zur Organspende bereit. Konkret vermuten 64 Prozent der Befragten, dass es bei der Organvergabe „viel Missbrauch“ gibt. Nur 28 Prozent glauben, dass es bei der Vergabe „eher fair“ zugeht.

Die persönliche Bereitschaft zur Organspende sei trotz dieses Misstrauens recht hoch: 61 Prozent der Befragten würden ihre Organe spenden, nur 34 Prozent würden eine Organspende verweigern. Interessanterweise ist laut N24 die Bereitschaft zur Organspende bei den jungen Befragten höher. So würden sogar 77 Prozent der unter 29-Jährigen ihre Organe spenden. Bei den über 50-Jährigen wären dazu nur 57 Prozent bereit.

Im Vergleich zu 2011 hat die Organspendenbereitschaft insgesamt nachgelassen. Ob das auch an den Organspendeskandalen liegt, sei nicht zu beweisen. Im Februar 2011 wären noch 64 Prozent der Deutschen grundsätzlich zu einer Organspende bereit gewesen, d.h. drei Prozent mehr. Und nur 30 Prozent der Befragten hätten damals eine Organspende verweigert, gegenüber aktuell 34 Prozent.

Andere Umfragen kommen allerdings wieder zu anderen Ergebnissen. Dies dürfte vermutlich auch mit der Fragestellung zusammenhängen. Interessant wäre zu erfahren, wie hoch die Ablehnungsquote ist, wenn man die Befragten zuvor umfassend über das Problem des Hirntodes und die Folgen einer Zustimmung zu einer Organentnahme aufklären würde. Aber dazu sind uns bislang leider keine aktuellen Zahlen bekannt. Sachdienliche Hinweise auf etwaige Studien nehmen wir gerne entgegen.

Weiterführende Informationen:

Reaktionen auf die gemeinsame Erklärung zum Transplantationsskandal: Erklärung allein nicht ausreichend

Von Verbänden, Politikvertretern und Medien wurde die gemeinsame Erklärung der Prüfungskommission, der Überwachungskommission, der Bundesärztekammer, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des GKV-Spitzenverband zur Organspende vom 07.08.12 weitgehend kritisch aufgenommen.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr begrüßte in einer Pressemitteilung die Erklärung als „einen ersten Schritt“. „Ich begrüße, dass die Selbstverwaltungsorgane nun erste Konsequenzen ziehen und erste Vorschläge vorlegen. Wir werden diese und weitere Punkte beim Treffen am 27. August im Bundesgesundheitsministerium gemeinsam beraten. Das Vertrauen in die Organspende und die Verfahren bei der Vermittlung müssen wieder hergestellt werden. Das gelingt uns nur gemeinsam“, so das knappe Statement des Ministers.

Linke: FDP und Ärzteschaft nicht zu vorbehaltloser Prüfung der Organspende-Skandale bereit

K. VoglerScharfe Kritik kam dagegen von Kathrin Vogler, Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion und stellvertretende Vorsitzende im Gesundheitsausschuss des Bundestages. „Bundesgesundheitsminister Bahr und Bundesärztekammerchef Montgomery sind nicht bereit, die skandalösen Machenschaften im Transplantationswesen vorbehaltlos zu prüfen und daraus die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Das ist empörend“, so Kathrin Vogler in einer Presseaussendung mit Blick auf die Äußerungen von Bahr und Montgomery, eine staatliche Kontrolle bei der Organvergabe sei unnötig.

„Um das Vertrauen der Bevölkerung in die Organspende wiederherzustellen, müssen wir alles dafür tun, dass die Organzuteilung gerecht erfolgt und Manipulationen ausgeschlossen werden. Dafür brauchen wir eine offene und vor allem auch eine öffentliche Aufarbeitung. Die Politik darf sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen und es an die Deutsche Stiftung Organspende (DSO), die Bundesärztekammer und die holländische Stiftung Eurotransplant abtreten, Regeln für Organtransplantationen aufzustellen und auch noch deren Einhaltung zu kontrollieren“, so die Gesundheitsexpertin der Linksfraktion weiter.

Es erstaune nicht, dass die Selbstverwaltungsorgane dabei versagt haben. „Die Ärztekammer erlässt die Vorschriften für Transplantationen, sie sitzt im Stiftungsrat der DSO und hat so die Aufsicht über die Koordinierungsstelle für die Organvergabe. Sie richtet Überwachungs- und Prüfungskommissionen ein, die überprüfen sollen, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Ein derart geschlossenes System ist für Manipulationen extrem anfällig“, so Vogler.

Es sei kein Wunder, dass Stichprobenkontrollen nur zu einem verschwindend geringen Prozentsatz stattfinden und die Prüfberichte nicht veröffentlicht werden. „Jetzt müssen wir im Bundestag den Mut haben, sämtliche Regeln für die Organspende auf den Prüfstand zu stellen und Transparenz zu schaffen“, forderte sie.

Erklärung nicht weitgehend genug

E. BryschKritisch sieht die Erklärung auch der Geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch. „Mit der heute vorgestellten gemeinsamen Erklärung der Prüfungs- und Überwachungskommission wird es den privaten Akteuren nicht möglich sein, Transparenz herzustellen. Vier Augen sehen auch nicht mehr als zwei, wenn sie aus demselben Krankenhaus kommen. Das ist auch an der Einrichtung einer interdisziplinären Transplantationskonferenz zu kritisieren“, so Brysch in einer Presseaussendung.

Ebenso fehle ein Einsichtsrecht der Patienten. Die Betroffenen wollten wissen, auf welcher Position der Warteliste sie stehen. Die Patientenschützer begrüßen, dass die Prüfberichte der Kommission jetzt veröffentlicht werden sollen. In der Praxis werde es jedoch darauf ankommen, ob alle Auffälligkeiten im Transplantationssystem tatsächlich öffentlich gemacht werden.

„Dass die gemeinsame Erklärung zur strafrechtlichen Regelung und zum Entzug der Approbation sich im Allgemeinen verliert, ist enttäuschend. Das ist nicht neu und zeigt die Hilflosigkeit der Akteure. Transplantationsrecht lässt sich nicht über Straf- und Standesrecht organisieren“, erklärte Brysch. Die Patientenschützer fordern daher ein aktives Eingreifen des Staates im Vorfeld von Straftaten oder Unregelmäßigkeiten. Dafür bedürfe es aber eines verfassungsgemäßen Organspendegesetzes, das private Akteure zurückdrängt, denn nur der Staat darf in Grundrechte eingreifen.

Auch er forderte politisches Handeln. „Der mit dem heutigen Treffen beginnende Sitzungsmarathon kann daher politisches Handeln nicht ersetzen. Eine wirkliche Reform können nur die Parlamentarier auf den Weg bringen. Nur sie sind demokratisch legitimiert und müssen jetzt eine zentrale Bundesbehörde einrichten, die die Aufgabe der privaten Akteure übernimmt und das Klein-Klein der Bundesländer beendet“, so Brysch abschließend.

BioSkop fordert glaubwürdige Transparenz von Bundesärztekammer und Deutscher Stiftung Organtransplantation

Der Verein „BioSkop – Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften und ihrer Technologien e.V.“ aus Essen forderte ebenfalls mehr Transparenz bei Organspenden. „Den Worten der gestrigen Krisen-Pressekonferenz müssen jetzt schnell glaubwürdige Taten folgen. Gefordert ist jetzt auch die Deutsche Stiftung Organtransplantation“, sagte Erika Feyerabend, Geschäftsführerin von BioSkop. Der Verein beobachtet seit Jahren aufmerksam und kritisch die Transplantationsmedizin und Biopolitik.

Mit Blick auf die in der Erklärung genannte Transparenz fordert Feyerabend rückhaltlose Aufklärung. „Die Bundesärztekammer (BÄK) muss jetzt sämtliche Berichte der zuständigen Prüfungskommission ins Internet stellen. Nur so kann sich die Öffentlichkeit ein Bild darüber machen, was den zuständigen Kontrolleuren aufgefallen ist, was in Transplantationszentren seit dem Jahr 2000 womöglich rechtswidrig gelaufen ist und wie schnell und nachhaltig Kommission, Transplantationszentren, Staatsanwaltschaften und Behörden darauf reagiert haben.“ Die BÄK selbst schrieb laut Bioskop ziemlich nebulös von „119 Vorgängen klärungsbedürftiger Auffälligkeiten“, die der Prüfkommission seit dem Jahr 2000 bekannt geworden seien.

Seit Jahren ein offenes Geheimnis

Der jetzt – bemerkenswerterweise erst kurz nach Verabschiedung des reformierten Transplantationsgesetzes – skandalisierte Regensburger Fall dürfte nach Einschätzung der Expertin in Fachkreisen seit sechs Jahren ein offenes Geheimnis sein. Viele der nun als überraschend und nicht vorstellbar dargestellten Strukturdefizite benenne schon der IGES-Bericht vom Juni 2009. Den hatte das Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegeben.

Wichtig sei nun auch, dass die interessierte Öffentlichkeit erfährt, wie die Kommission, die nach eigenen Angaben bisher lediglich ein bis fünf Prozent der Organvermittlungsentscheidungen unsystematisch überprüft haben will, überhaupt von Unregelmäßigkeiten erfahren hat. Noch wichtiger sei die Frage was anschließend mit Informanten passierte. „Wurden sie ernst genommen? Wurden diese Menschen eigentlich für ihren Mut gelobt – oder gar gemobbt, abgemahnt, bestraft?“, fragt Bioskop.

„Angesichts allenfalls marginaler Kontrollen durch die zuständigen Gremien der Selbstverwaltung sind Zivilcourage und Whistleblowing von Insidern unabdingbar. Jedenfalls, wenn Rechtsverstöße wirklich aufgedeckt werden sollen“, bekräftigt Feyerabend. „Menschen, die hier den Mut haben, Unregelmäßigkeiten öffentlich zu machen, müssen darauf vertrauen können, dass ihre Aufrichtigkeit nicht mit Nachteilen quittiert wird. Dies müssen der Gesetzgeber, aber auch die Standesorganisationen und Fachgesellschaften nachvollziehbar klar stellen. Menschen mit Gewissen müssen geschützt werden.“

„Auch die Sonderuntersuchung der DSO gehört jetzt vollständig auf den Tisch.“

Transparenz fehlt nach Ansicht von Bisokop bisher aber nicht nur in der bei der Bundesärztekammer angesiedelten Prüfungskommission. Einiges nachzuholen habe auch die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO). Deren Vorstände waren im Herbst 2011 in die öffentliche Kritik geraten nach anonymen Vorwürfen von Mitarbeitern, die in die Medien durchgesickert waren. „Das Krisenmanagement damals: Die DSO veranlasste eine forensische Sonderuntersuchung durch unabhängige Wirtschaftsprüfer. Was diese bis März 2012 rausgefunden und aufgeschrieben hatten, darf die Öffentlichkeit noch immer nicht im Detail und schon gar nicht im Original erfahren. Auch diese Untersuchung gehört jetzt auf den Tisch“ fordert Feyerabend.

Der gesamte Untersuchungsbericht, inklusive aller Anlagen wohl mehrere Aktenordner dick, soll seit Ende April 2012 im Sekretariat des Gesundheitsausschusses in Berlin zur Einsichtnahme ausliegen – allerdings mit merkwürdigen Einschränkungen. Denn zumindest die Anlagen dieses Gutachtens will die DSO bisher offenbar als vertrauliche Verschlusssache behandelt sehen, vorbehalten nur wenigen Abgeordneten. Obendrein werde, laut Darstellung aus Politikerkreisen, auch nur eine persönliche Einsichtnahme gewährt. Parlamentarier, die es wirklich wissen wollten bzw. wollen, müssen mithin reichlich Zeit und vor allem ein sehr gutes, juristisch geschultes Gedächtnis haben: Kopien von Gutachten und Anlagen sollen die Volksvertreter nämlich auf gar keinen Fall anfertigen dürfen.

Derartige Vorgaben seien schon angesichts des heiklen Stoffes einfach nur absurd, findet Feyerabend. „Wenn die DSO glaubwürdig sein will, sollte sie die von ihr veranlasste forensische Untersuchung jetzt ohne weiteren Verzug auf ihre Website stellen. Und zwar vollständig, mit allen Anlagen und Dokumenten.“

Kritische Aufklärung über Organtransplantation e.V. (KAO) fordert Ende der Täuschungen bei Organspenden

Kritische Aufklärung über Organtransplantation e.V. (KAO)Vor dem Hintergrund der Organspendeskandale in Göttingen und Regensburg und den Hinweisen, dass immer mehr Organe an der Warteliste vorbei vergeben werden, kritisierte der Verein „Kritische Aufklärung über Organtransplantation – KAO e.V.“ aus Bremen in einer Presseerklärung die doppelte Täuschung bei der Organspende.

Zum einen würden Patienten getäuscht, die auf der Warteliste stehen für ein fremdes Organ und auf das System vertrauen, zum anderen weiter alle Bürgerinnen und Bürger, die dazu aufgefordert werden, ihre Organe zu spenden. Denn in den offiziellen Organspendeausweisen steht nach wie vor: „Für den Fall, dass nach meinem Tod eine Spende von Organen, Gewebe in Frage kommt…“

„Es fehlt jeder Hinweis, dass es sich um eine Organentnahme nach festgestelltem Hirntod handelt. Dies bedeutet, dass Patienten, deren Organe entnommen werden sollen, bis zum Ende der Organentnahme beatmet werden, dass sie warm und durchblutet sind. Sie werden nicht darüber informiert, dass die vorbereitenden Maßnahmen zur Organentnahme nicht ihrem Wohl dienen, sondern auf die Empfänger der Organe ausgerichtet sind, dass die Angehörigen sie beim Übergang vom Leben in den Tod nicht begleiten und beschützen können,“ so Renate Focke, erste Vorsitzende von KAO, einem Verein, gegründet von Eltern, die ihre verunglückten Kinder zur Organspende freigegeben haben, ohne die Hintergründe zu diesem Zeitpunkt genau genug zu kennen.

„Da die Grundannahme falsch ist, ein sterbender Mensch im Hirnversagen sei tot, sind alle Maßnahmen wie Hirntodfeststellung, Organentnahme und Verteilungskriterien fragwürdig. Auch die nachträglichen Versuche der Gremien wie der Bundesärztekammer und der Deutschen Krankenhausgesellschaft, das bestehende System möglichst beizubehalten, können diese Fakten nicht länger unterdrücken“, erklärte Focke. „Angesichts der aktuellen Sachlage darf man gespannt sein, was die Mitglieder des Parlaments in dieser entscheidenden Frage um Leben oder Tod unternehmen werden, nachdem das reformierte Transplantationsgesetz kaum Abhilfe bei den genannten Problemen schaffen dürfte.“

KAO fordert umfassende Aufklärung über alle Seiten der Organspende

KAO fordert seit vielen Jahren eine umfassende Information sowohl der eventuellen Organspender als auch der Empfänger. Nur wer sich selbst nach umfassender Information zur Organspende bereit erklärt und das schriftlich dokumentiert hat, dürfe als Spender in Frage kommen. Um den einseitigen Informationen der Transplantationsmedizin und Organisationen wie der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) entgegenzuwirken, betreibt KAO eine eigene Webseite. Mit der will sie potenzielle Organspender über die andere Seite der Organtransplantation aufklären.

Weiterführende Informationen:

Presseschau zum Transplantationsskandal in Göttingen und Regensburg

Nachfolgend finden Sie eine Auswahl an Meldungen zum Organspendeskandal in Göttingen und Regensburg und den ergriffenen Maßnahmen diverser Akteure. Diese Zusammenstellung wird gegebenenfalls weiter ergänzt.

Weiter zur Presseschau zum Transplantationsskandal in Göttingen und Regensburg

Nach oben