Bericht 2012/2013 Überwachungskommission und Prüfungskommission TPG

20.07.13: Prüfbericht zu Lebertransplantationen für Anfang September erwartet

20.07.13: Ein Jahr nach Beginn der Transplantationsskandale in Göttingen, Regensburg, München und Leipzig: Prüfbericht zu Lebertransplantationen für Anfang September erwartet

Symbolbild OrganentnahmeIm Juli 2012 wurde ein bislang in Deutschland einmaligen Transplantationsskandal bekannt. Medienberichten zufolge soll ein ehemaliger leitender Transplantationsmediziner am Universitätsklinikum Göttingen in 25 Fällen Krankenakten gefälscht haben, um ausgewählte Patienten auf der Warteliste für eine Lebertransplantation nach oben zu schieben.

Dabei wurden offenbar Laborwerte gefälscht, so dass die Patienten kränker erschienen als sie wirklich waren. Dadurch wurde ihnen von der zuständigen internationalen Organvermittlungsstelle Eurotransplant schneller eine Spenderleber zugeteilt. Wenig später wurden auch in Regensburg, München und Leipzig Manipulationsverdachte laut (siehe dazu die Themenspecials unten).

Vor diesem Hintergrund haben die für Transplantationen zuständige Prüfungskommission und die Überwachungskommission, in gemeinsamer Trägerschaft von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband, mittlerweile Vor-Ort-Prüfungen in allen 24 Zentren durchgeführt, in denen Lebern transplantiert werden. Die Prüfungen sind Teil des nach dem Transplantationsskandal im Sommer 2012 auf neuer gesetzlicher Grundlage ausgeweiteten Kontrollsystems im Transplantationswesen.

Stichprobenartige Überprüfung für 2010 und 2011

Wie die Geschäftsstelle Transplantationsmedizin der Bundesärztekammer am 19.07.13 zum Stand der Prüfungen mitteilte, wurden in der Regel in den Zentren die Transplantationen der Jahre 2010 und 2011 von interdisziplinär besetzten Prüfteams nach einem bestimmten Fragenkatalog stichprobenartig geprüft. Im Falle von Auffälligkeiten seien Nachprüfungen erfolgt, in deren Verlauf zumeist sämtliche Transplantationen unter Berücksichtigung eines größeren Zeitraums geprüft worden seien. In einigen Zentren seien Nachprüfungen notwendig gewesen, sodass noch nicht alle Prüfverfahren abgeschlossen werden konnten. So lägen u. a. die Prüfberichte für die Zentren Essen und Münster noch nicht vor.

„Nach einer Vor-Ort-Prüfung wird ein Bericht erstellt, der die Feststellungen und Wertungen der Kommissionen enthält. Dieser Bericht wird zur Gewähr des rechtlichen Gehörs zur Stellungnahme an die zuständigen Abteilungsleiter des Klinikums übersandt. Die Kommissionen nehmen deren Rückmeldungen zur Kenntnis und prüfen etwaige Einwendungen. Sobald alle Prüfverfahren abgeschlossen sind, werden die Ergebnisse der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Die Trägerorganisationen stimmen derzeit einen Termin für eine gemeinsame Pressekonferenz ab, die voraussichtlich Anfang September 2013 stattfinden wird“, heißt es in dem Pressestatement der Geschäftsstelle Transplantationsmedizin zur Erläuterung des Verfahrens. In Medienberichten hieß es vor kurzem noch, der Prüfbericht werde erst nach der Bundestagswahl, d.h. nach dem 22. September, veröffentlicht.

„Um dem Auftrag des Gesetzgebers und dem besonderen Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu entsprechen“, wollen die Prüfungskommission und die Überwachungskommission in ihrem Bericht sämtliche Stellungnahmen zu bisherigen Prüfungen in anonymisierter Form veröffentlichen. Vorgesehen sei, dass alle Zentren mit ihren gut 140 Transplantationsprogrammen mindestens einmal in einem Zeitraum von 36 Monaten vor Ort geprüft werden.

Entscheidende Schritte zur Reform der Organspende fehlen

E. BryschUnterdessen hat die Deutsche Stiftung Patientenschutz anlässlich der vor einem Jahr bekannt gewordenen Transplantationsskandale und dem anstehenden Prüfbericht eine mangelhafte Reform der Organspende beklagt. „Ein Jahr, nachdem die Skandale bekannt wurden, sind die entscheidenden Schritte zur Reform der Organspende noch nicht getan“, erklärte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch in einer Pressemitteilung vom 18.07.13.

Die Patientenschützer begrüßen zwar, dass der Gesetzgeber Manipulationen an der Warteliste unter Strafe gestellt hat. Zudem muss das Bundesgesundheitsministerium jetzt die Richtlinien der Bundesärztekammer für die Verteilung von Organen genehmigen. „Somit kann sich der Gesundheitsminister seiner Verantwortung für das Regelwerk der Bundesärztekammer nicht mehr entziehen. Ohne den öffentlichen Druck wäre das nicht möglich gewesen. Denn die Probleme sind jahrelang bekannt“, so Brysch.

Die Patientenschützer kritisieren jedoch die fehlende Transparenz. So hätten Schwerkranke auf der Warteliste kein Recht darauf, zu erfahren, auf welchem Platz sie stehen. Ebenso sei ihr Rechtschutz nicht klar geregelt. Es fehle an Vertrauen, weil die privaten Akteure sich auch künftig selbst kontrollieren. Es könne nicht sein, dass eine Prüfkommission mit Akteuren des Transplantationssystems besetzt ist, die die Prüfungen neben ihrem Beruf organisieren.

„Allein für die 2250 Lebertransplantationen aus den Jahren 2010 und 2011 hat das Gremium über ein Jahr gebraucht. Auf diese Ergebnisse wartet die Öffentlichkeit immer noch. Die Mehrheit der Transplantationen aus diesen Jahren sind noch gar nicht geprüft worden, dazu gehören Herz-, Nieren- und Lungentransplantationen. Ebenso ist die private Stiftung DSO kein Erfolgsmodell. Zwar wurden hunderte Millionen Euro ausgegeben, das Vertrauen der Bevölkerung ist jedoch nicht gewachsen und es gibt auch nicht mehr Organspender“, so das Fazit von Brysch.

Weiter rückläufige Organspenderzahlen und erster Strafprozess wegen Verdacht der Wartelisten-Manipulation

In der Tat sank nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ die Zahl der Organspender im ersten Halbjahr 2013 erheblich. Konkret habe die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) für das erste Halbjahr 2013 einen bundesweiten Rückgang der postmortalen Organspender um 18,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzeichnet. Ausschlaggebend sei offenbar das Bekanntwerden der Manipulationen bei der Organvergabe in der Uni-Klinik Göttingen gewesen.

Wie das Deutsche Ärzteblatt in der Online-Ausgabe vom 16.07.13 berichtete, wird es nun erstmals in Deutschland einen Strafprozess geben wegen des Verdachts der Manipulation der Warteliste zur Organtransplantation. Das Schwurgericht am Landgericht Göttingen habe die Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen einen früheren Oberarzt der Universitätsklinik Göttingen zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet, wegen versuchten Totschlags in elf Fällen sowie wegen Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen.
 

Ergänzung 05.09.13: Aufarbeitung nach Transplantationsskandalen: Prüfungs- und Überwachungskommission legen Bericht zu allen Lebertransplantationsprogrammen in Deutschland vor – Schwere Richtlinienverstöße auch in Münster

Am 04.09.13 haben die Prüfungs- und die Überwachungskommission von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband ihren lange erwarteten Bericht zu den Vor-Ort-Prüfungen aller 24 Lebertransplantationsprogramme in Deutschland für die Jahre 2010 und 2011 vorgelegt.

Schwerwiegende Richtlinienverstöße stellten die Prüfer in der Universitätsklinik Göttingen und Leipzig sowie in zahlenmäßig geringerem Ausmaß in München rechts der Isar und – neu – in Münster fest. Unbeanstandet blieben lediglich fünf Transplantationszentren. In den restlichen Zentren wurden nur solche Richtlinienverstöße festgestellt, „bei denen sich aufgrund der Umstände des Einzelfalls oder der geringen Anzahl kein Verdacht auf systematische oder bewusste Falschangaben zur Bevorzugung bestimmter Patienten ergab“, heißt es in der Pressemitteilung zur Vorstellung des Berichts abwiegelnd.

Mehr dazu im Themenspecial zum Bericht der Prüfungs- und Überwachungskommission zu allen Lebertransplantationsprogrammen in Deutschland

Weiterführende Informationen:

Themenspecials zu den Transplantationsskandalen in Göttingen, Regensburg, München und Leipzig:

Presseschau zur Ankündigung des Prüfberichts der Lebertransplantationszentren

In den Medien spielte die Ankündigung des Prüfberichts der Lebertransplantationszentren nahezu keine Rolle. Nachfolgend finden Sie dennoch ein paar Meldungen. Diese Zusammenstellung wird gegebenenfalls weiter ergänzt.

Montgomery: Kritik an Verschiebung der Veröffentlichung von Prüfberichten zur Lebertransplantation ist unberechtigt
AERZTEBLATT.DE 22.07.13

Prüfbericht zu Lebertransplantationen soll Anfang September vorliegen
Berlin – Die Überprüfung der Leber-Transplantationszentren in Deutschland im Zuge des Organspendeskandals steht vor dem Abschluss.
AERZTEBLATT.DE 19.07.13

Statement der Geschäftsstelle Transplantationsmedizin zum Stand der Prüfungen in den Lebertransplantationszentren
Berlin. Die Prüfungskommission und die Überwachungskommission, in gemeinsamer Trägerschaft von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband, haben Vor-Ort-Prüfungen in allen 24 Zentren durchgeführt, in denen Lebern transplantiert werden. Die Prüfungen sind Teil des nach dem Transplantationsskandal im Sommer 2012 auf neuer gesetzlicher Grundlage ausgeweiteten Kontrollsystems im Transplantationswesen.
MITTEILUNG Bundsärztekammer 19.07.13

Entscheidende Schritte zur Reform der Organspende fehlen
Vor einem Jahr sind die Skandale in der Organspende bekannt geworden. Dazu erklärt der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch:
Berlin. „Ein Jahr, nachdem die Skandale bekannt wurden, sind die entscheidenden Schritte zur Reform der Organspende noch nicht getan.
PRESSEMITTEILUNG Deutsche Stiftung Patientenschutz 18.07.13

Transplantation: Kritik an später Vorlage von Prüfbericht
Ärzte Zeitung 11.06.13

Organspendeskandal: Prüfbericht erscheint erst im Herbst
SPIEGEL Online 10.06.13

„Focus“: Bericht zu Transplantationszentren kommt erst im Herbst
Kritik der Stiftung Patientenschutz
MITTELDEUTSCHE ZEITUNG 09.06.13

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