31.03.12: Vertrauliches Wirtschaftsprüfer-Gutachten vorgelegt – Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) weiter in der Kritik

31.03.12: Vertrauliches Wirtschaftsprüfer-Gutachten vorgelegt – Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) weiter in der Kritik

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) steht weiter unter massiver Kritik. Seit Herbst 2011 berichten diverse Medien immer wieder über wenig vertrauenserweckende oder gar skandalöse Machenschaften bei der DSO. Die Stiftung ist die nach dem Transplantationsgesetz beauftragte Koordinierungsstelle für die Organspende in Deutschland.

Im Raum stehen u. a. anonyme Vorwürfe der „Vetternwirtschaft und Selbstbedienungsmentalität“ gegen den medizinischen und kaufmännischen DSO-Vorstand (siehe dazu das Themenspecial vom 15.10.11, ergänzt am 03.02.12: Schwere Vorwürfe gegen Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation DSO – "Vetternwirtschaft und Selbstbedienungsmentalität"?).

Vergangene Woche berichtete die Frankfurter Rundschau über ein Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu den Vorwürfen, das dem Bundesgesundheitsministerium vorliegt. Der Prüfbericht sollte ursprünglich jedoch auf Anweisung des DSO-Stiftungsrates unter Verschluss gehalten und nicht an Dritte herausgegeben werden dürfen, auch nicht an den Bundestag oder Bundesrat. Gleichwohl beteuerte die Stiftung, an den Vorwürfen sei nichts dran (siehe dazu die Artikel unten).

Mittlerweile bekamen wenigstens die Mitglieder des Gesundheitsausschusses den 51-seitigen Bericht vertraulich ausgehändigt und informierten sich bei einer Ausschusssitzung am 28.03.12 dazu ergänzend. Allerdings bleiben laut der Linken-Abgeordneten Kathrin Vogler sämtliche Anlagen mit umfangreichen Informationen weiterhin geheim. „Die Öffentlichkeit, die sich auch ein Bild über die Zustände in der DSO verschaffen möchte, darf weiterhin keinen Einblick nehmen“, kritisierte Vogler am 30.03.12 auf ihrer Internetseite.

Medienberichte über Inhalte des Gutachtens

Ende der Woche berichteten diverse Medien über die Inhalte des Gutachtens. Darin geht es u.a. um mehrere Dienstwagen für einen Vorstand, einen teuren Firmenumzug, Büroausstattungen, Flüge und einen Auftrag über 115.000 Euro für eine Beratungsfirma für „Lobbying-Arbeiten“. Die Beratungsfirma sollte laut sueddeutsche.de, der das Gutachten vorliegt, u.a. die „Chancen und Gefahren“ ausloten, „die von politischen Gegnern ausgehen“.

Trotz allem sei den beiden Vorständen, dem Kaufmann Thomas Beck und dem Chirurgen Günter Kirste, nichts Strafbares vorzuwerfen, heißt es in dem Gutachten laut Berichten der „Süddeutschen Zeitung“ und bei „Spiegel-Online“ am 30.03.12. Sie hätten sich auch nicht persönlich bereichert oder der DSO und ihrem Zweck geschadet.

Laut „Spiegel-Online“ vermerken die Wirtschaftsprüfer in ihrem Bericht aber auch, dass sie sich auf „ausgehändigte Daten und Unterlagen“ sowie „mündliche Auskünfte“ stützen, deren Richtigkeit sie „nicht abschließend beurteilen“ könnten. Auch schließen sie nicht aus, dass sie bei Kenntnis weiterer Informationen „zu einem anderen Ergebnis gekommen wären“. Insgesamt betrachtet wirft aber das Gutachten nach Einschätzung der Medien ein schlechtes Licht auf die DSO. Mehr dazu in den Pressemeldungen unten.

Kritik an Intransparenz der Deutschen Stiftung Organtransplantation DSO

K. Vogler„Die DSO ist offenbar kein Teil der Lösung, sondern Teil des Problems“, kritisierte Kathrin Vogler in ihrer Einschätzung zu den Vorwürfen gegen die Deutsche Stiftung Organtransplantation. „Die Konstruktion einer Stiftung mit hauptamtlichem Vorstand und ehrenamtlichem Stiftungsrat ist meines Erachtens nicht geeignet, die Koordination von Organspenden mit der nötigen Zuverlässigkeit und Solidität zu betreuen. Die Stiftung ist offensichtlich nicht in der Lage oder Willens, Transparenz herzustellen, obwohl die Vertreter der Stiftungsrats im Ausschuss und auch die Bundesregierung beteuerten, dies sei auch ihr Anliegen“, so Vogler, die dem Gesundheitsausschuss angehört.

„Der Bericht des Wirtschaftsprüfers kommt zwar insgesamt zu dem Schluss, dass der DSO kein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei, listet aber dennoch eine Reihe von möglichen oder offensichtlichen Verstößen gegen Regeln des stiftungseigenen Entscheidungs- und Controllingprozesses auf. Wesentliche Vorwürfe aus dem anonymen Brief, die den Umgang mit Mitarbeitern und die Effektivität der sog. Inhouse-Koordination angehen, beantwortet das Gutachten nicht und auch der Stiftungsrat konnte im Ausschuss keine wirkliche Auskunft geben“, kritisierte die Linken-Abgeordnete.

Organspende braucht Vertrauen und Transparenz

Als besonders skandalös empfindet Vogler die Tatsache, „dass mit der DSO eine Einrichtung mit behördenähnlichem Status, die im öffentlichen Auftrag tätig ist, mit Hilfe einer Consultingfirma Lobbyarbeit betreibt, um damit das Gesetzgebungsverfahren zu beeinflussen und zwar nicht nur Gesetzesvorhaben der Bundesregierung, sondern auch solche aus der Mitte des Parlaments.“

Ihr Fazit: „Für die DSO hat sich diese Ausgabe offenbar gelohnt, soll sie doch künftig durch das neue Transplantationsgesetz mehr Kompetenzen erhalten. Die Linke meint: Organspende braucht Vertrauen und Transparenz. Daher sehen wir die Auslagerung von Kompetenzen in diesem Bereich in eine private Stiftung weiterhin kritisch und werden uns dafür einsetzen, dass sie überdacht wird.“

Andere Abgeordnete waren öffentlich bisher sehr verhalten mit ihrer Kritik. Möglicherweise um den vergangene Woche in erster Lesung im Bundestag beratenen Gesetzentwurf zur Einführung der Entscheidungslösung nicht zu gefährden. Der Unionsabgeordnete Jens Spahn bekräftigte gegenüber der Ärzte Zeitung vom 29. März: „Wir erwarten maximale Transparenz von der DSO. Organspende ist ein heikles Thema, da darf nicht die kleinste Ungereimtheit offen bleiben.“ Auch die meisten anderen Mitglieder des Gesundheitsausschusses stellten die Arbeit der BDO Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nicht zufrieden, heißt es in dem Bericht.

Weiterführende Informationen:

Weitere Pressemeldungen zu den Vorwürfen gegen den Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO)

Verschwendungsvorwürfe: Organspende-Stiftung im Zwielicht
Von Nicola Kuhrt
Teure Flüge, Dienstwagen, Büromöbel: Anonym waren im vergangenen Jahr Verschwendungsvorwürfe gegen die Deutsche Stiftung Organtransplantation erhoben worden. Nun entlastet ein Gutachten den Vorstand, es gebe dort kein Fehlverhalten. Dennoch sehen Gesundheitspolitiker Handlungsbedarf.
SPIEGEL Online 30.03.12

Organspenden: Kurioses in der Lobby
Bernhard Walker
STUTTGARTER ZEITUNG 30.03.12

Missstände bei Stiftung Organtransplantation: Ein Herz für Dienstwagen
Von Christina Berndt
Sie koordiniert den sensiblen Bereich der Organspende, doch im Moment fällt sie eher durch unsensibles Geschäftsgebaren auf. Wirtschaftsprüfer monieren dubiose Ausgaben bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation.
SUEDDEUTSCHE.DE 30.03.12

Zweifel an Deutsche Stiftung Organspende DSO bleiben
Eine Einschätzung von Kathrin Vogler
Seit Herbst 2011 berichtet die Presse über wenig vertrauenserweckende oder gar skandalöse Machenschaften bei der Deutsche Stiftung Organspende DSO.
MITTEILUNG Kathrin Vogler, MdB, DIE LINKE 30.03.12

Vetternwirtschaft? Gutachten entlastet DSO nur teilweise
Die Organspende-Neuregelung wird von drastischen Vorwürfen gegen den Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation überschattet.
Ärzte Zeitung, 29.03.12

In der DSO wird „gewulfft“
Kommentar Von Anno Fricke
Ärzte Zeitung, 29.03.12

Hirntod: Wann ist der Mensch tot?
Von Annette Mende, Berlin
Sind hirntote Menschen tatsächlich tot? Diese Frage lässt sich nach wir vor nicht eindeutig beantworten. Dennoch darf man Hirntoten laut Gesetz Organe entnehmen. Über medizinische und ethische Aspekte des Hirntods diskutierten Experten beim Forum Bioethik des Deutschen Ethikrats in Berlin.
PHARMAZEUTISCHE ZEITUNG Ausgabe 13/2012 29.03.12

Praktiken der Transplantationsstiftung: Das schmutzige System Organspende
Ämterhäufung, Vetternwirtschaft und Verschwendung von Krankenkassengeld: Die Deutsche Stiftung Organtransplantation agiert unkontrolliert am Staat vorbei.
von Heike Haarhoff
TAZ 28.03.12

Ein Faible für Luxus
Kritik an Stiftung Organtransplantation
Dienstwagen, Vetternwirtschaft und teure Büromöbel: Die Vorwürfe gegen die Stiftung Organtransplantation sind laut einem Wirtschaftsprüfungsgutachten wahr.
von Heike Haarhoff
TAZ 28.03.12

Organspenden-Reform: Vorwürfe gegen Stiftung überschatten Konsens
Bei Beratungen im Bundestag zum Transplantationsgesetz gab es viel Emotionen – und Kritik.
SPIEGEL Online 22.03.12

Gesetz zur Organspende: Organspende-Stiftung hält Gutachten zurück
Timot Szent-Ivanyi
Heute soll im Bundestag erstmals über den Gesetzentwurf zur Organspende debattiert werden. Gleichzeitig fällt ein Schatten auf gerade die Organisation, die in Deutschland für Organspenden verantwortlich ist. Es geht um den Vorwurf der Geldverschwendung.
FRANKFURTER RUNDSCHAU 22.03.12

Vorwürfe gegen die DSO-Spitze?
Der Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) verhindert einem Medienbericht zufolge die Veröffentlichung eines Gutachtens, in dem Vorwürfe gegen die DSO-Spitze untersucht wurden.
DER WESTEN 22.03.12

Deutsche Stiftung Organtransplantation – Prüfungsbericht nicht ans Parlament?
Oliver Tolmein
FAZ.NET Blog Biopolitik 21.03.12

Transplantationsgesetzentwurf ist ein Placebo – Bahr gaukelt eine Lösung vor, die absehbar keinen Erfolg bringen wird
Zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz, der morgen im Bundestag diskutiert werden soll, erklärt der Geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, in Berlin:
„Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf wird es nicht mehr Organspender geben als zuvor. Die zentralen Fragen bleiben nach wie vor unbeantwortet.
PRESSEMITTEILUNG Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung 21.03.12