21.10.11: Bundesärztekammer stellt Modell einer Selbstbestimmungslösung zur Organspende vor – Petitionsausschuss des Bundestages zur Speicherung der Organspendeentscheidung – Geplatzte Verhandlungen von Union und SPD
Vor dem Hintergrund der Debatte um eine Neuregelung der Organspende hat die Bundesärztekammer (BÄK) ein „Modell einer Selbstbestimmungslösung zur Einwilligung in die Organ- und Gewebespende“ erarbeitet und der Politik zugeleitet. Dies teilte die Bundesärztekammer am 18.10.11 in einer Presseerklärung mit.
Nach dem BÄK-Modell sollen Krankenkassen, private Krankenversicherungen und Meldebehörden regelmäßig eine Erklärung zur Organspende nachfragen. Die Erklärung soll in Form des bisherigen Organspendeausweises abgegeben oder bald auf der neuen elektronischen Gesundheitskarte abgelegt werden. Die Bürger können ihre generelle Spendebereitschaft erklären, aber auch Einschränkungen auf bestimmte Organe oder Gewebe dokumentieren. Sie können die Entscheidung auch auf eine namentlich benannte Person übertragen oder sich gegen Organ- und Gewebespenden aussprechen.
Wird dieses Recht nicht zu Lebzeiten wahrgenommen und liegt somit keine Erklärung vor, können nach Feststellung des Hirntodes unter Ermittlung des mutmaßlichen Willens durch Einbeziehung der Angehörigen Organe oder Gewebe entnommen werden. „Maßgeblich für das Modell ist der Respekt vor der Selbstbestimmung des Einzelnen in einer konkreten Entscheidungssituation. Diese Orientierung am Grundprinzip der Autonomie ist gegenüber anderen im Bereich der Organtransplantation diskutierten Ansätzen in ethischer und rechtlicher Hinsicht vorzuziehen“, heißt es in der Einleitung des Papiers.
Regelmäßige Nachfrage nach Erklärung zur Organspende
„Wir müssen die Menschen abholen, die sich für die Organspende aussprechen, aber ihre Bereitschaft noch nicht dokumentiert haben. Zwar sind 70 Prozent der Menschen in unserem Land bereit, nach ihrem Tod Organe oder Gewebe zu spenden. Aber nur 17 Prozent haben ihre Entscheidung in einem Organspendeausweis dokumentiert. Es ist deshalb unerlässlich, dass eine Erklärung zur Organ- und Gewebespende regelmäßig nachgefragt wird“, erklärte der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery.
Montgomery begrüßte, dass die Politik viele der bereits beim 114. Deutschen Ärztetag in Kiel diskutierten Vorschläge in ihren Plänen für eine Neuregelung der Organspende aufgreift. Die regelmäßige Abfrage der Spendebereitschaft allein reiche aber nicht. „Wir müssen die Bevölkerung viel intensiver als heute über die Möglichkeiten der Organspende informieren“, forderte der BÄK-Präsident.
Nach dem Modell der Bundesärztekammer sollen die Kultusminister der Länder auch einen verpflichtenden Lehrplan zur Organ- und Gewebespende im Schulunterricht installieren. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung solle hierfür bundeseinheitliche Informationsmaterialien erstellen. Notwendig sei auch die spezielle Schulung von Ärztinnen und Ärzten. Hausärzte könnten über ein Fortbildungsmodul darauf vorbereitet werden, mit ihren Patienten über deren Organ- und Gewebespendebereitschaft zu sprechen. Aber auch in der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung müsste dieses Thema nach dem Vorschlag der Bundesärztekammer stärker verankert werden.
Petitionsausschuss des Bundestages zur Speicherung der Organspendeentscheidung
Am 18.10.11 hat sich der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages mit der Frage nach der Speicherung der Organspendeentscheidung befasst. In einer Petition hatte ein Bürger angeregt, die Antwort zur Frage nach einer Organspende auf dem neuen elektronischen Personalausweis zu speichern. Der Petent begründete dies u. a. damit, dass „die minderwertige Qualität der aktuellen Organspendeausweise auf Pappkarten“ nicht gewährleiste, dass das Dokument auch starken Materialbelastungen stand halte und daher oftmals nur schlecht oder gar nicht mehr lesbar sei. Zudem werde so jeder beim Beantragen eines Ausweises dazu angeregt, sich mit dem Thema Organspende zu befassen.
Der Speicherung auf dem Personalausweis stehen die Abgeordneten jedoch skeptisch gegenüber, heißt es in einer Mitteilung des Bundestages. Solch ein Vorschlag sei „bereits mehrfach vorgeschlagen und geprüft, jedoch im Ergebnis stets verworfen“ worden. Dennoch habe der Ausschuss in seiner Sitzung einstimmig beschlossen, die Petition dem Bundesgesundheitsministerium und dem Bundesinnenministerium als Material zu überweisen sowie den Fraktionen des Bundestages zur Kenntnis zu geben.
Ergänzend betonen die Ausschussmitglieder dem Bericht zufolge, dass der Gesetzgeber die Bereitschaft zur Organspende „weder verlangen noch anordnen“ dürfe. Ebenfalls könne nicht verlangt oder angeordnet werden, dass sich jeder zu Lebzeiten mit der Frage der postmortalen Organspende so intensiv beschäftigt, dass er eine entsprechende Erklärung abgibt. Dies würde nach Ansicht der Abgeordneten ein „Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen“ darstellen. Es sei jedoch zu begrüßen, wenn möglichst viele Bürger in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechtes zu Lebzeiten eine solche Entscheidung träfen.
Unions- und SPD-Verhandlungen zur Organspendereglung offenbar gescheitert
Unterdessen wurde bekannt, dass die Verhandlungen zwischen SPD und Unionsabgeordneten über eine Entscheidungslösung zur Organspende offenbar feststecken, wenn nicht sogar gescheitert sind. Was genau der Fall ist, ist noch unklar. Hintergrund sind wohl unterschiedliche Auffassungen darüber, wie viel Druck bei einer Entscheidungslösung auf den Einzelnen ausgeübt werden soll. Mehr dazu im FAZ.NET Blog Biopolitik von Oliver Tolmein vom 21.10.11 und den weiteren Artikeln im Pressespiegel unten.
Ergänzende Informationen:
- Modell einer Selbstbestimmungslösung zur Einwilligung in die Organ- oder Gewebespende
Bundesärztekammer 11.10.11 (5 Seiten)
- Lesbarkeit der Organspendeerklärung verbessern
Petitionsausschuss
Berlin: (hib/HAU) Der Petitionsausschuss unterstützt das Ansinnen, die Lesbarkeit der Organspendeerklärung zu gewährleisten und damit ein rechtzeitiges und ordnungsgemäßes Handeln der Notärzte sicherzustellen. Einer Speicherung des Organspendewunsches auf dem neuen elektronischen Personalausweis stehen die Abgeordneten jedoch skeptisch gegenüber.
HIB Heute im Bundestag 19.10.11
- Organspende-Pläne im Parlament: Freiwillig schlingern, sanktionierend platzen
Von Oliver Tolmein
FAZ.NET Blog Biopolitik 21.10.11
Presseschau zum BÄK-Organspendemodell und zu den Unions-SPD-Verhandlungen zur Organspenderegelung
Nachfragen und informieren – BÄK-Modell zur Organspende
Berlin – Die Bundesärztekammer (BÄK) hat vorgeschlagen, Bürger in Deutschland regelmäßig auf ihre Bereitschaft zur Organspende anzusprechen.
AERZTEBLATT.DE 18.10.11
Warum ich kein Organspender bin
Die Werbekampagne läuft auf Hochtouren: Deutschland soll ein Volk der Organspender werden. Der Hirntod aber ist und bleibt umstritten.
von Alexander Kissler
THE EUROPEAN 18.10.11
BÄK-Initiative zur Organspende
Berlin (HL). Die Bundesärztekammer plädiert dafür, dass eine Erklärung zur Spende von Organen und Geweben regelmäßig bei den Bürgern nachgefragt wird.
Ärzte Zeitung, 19.10.11
Streit um Organe
Von Martina Keller
Gesundheitsminister Daniel Bahr will die Krankenkassen verpflichten, mit der neuen elektronischen Gesundheitskarte Informationen zur Organspende zu verschicken.
DIE ZEIT Nr. 43, 20.10.11
Organspende: Kauder-Steinmeier-Plan geplatzt
Ärzte Zeitung online 21.10.11
Organspende: Verhandlungen zur Organspende-Reform geplatzt
Daniel Freudenreich
DER WESTEN 21.10.11
Organspende-Pläne im Parlament: Freiwillig schlingern, sanktionierend platzen
Von Oliver Tolmein
FAZ.NET Blog Biopolitik 21.10.11
Organspende-Reform auf der Kippe
Volker Kauder (CDU) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) müssen wieder ran.
Ärzte Zeitung online 23.10.11
Wer zündelt an der Organspende-Reform?
Stillstand bei der Reform der Organspende? Am Freitag sah es zunächst danach aus, doch Union und SPD hatten die Gespräche in Wahrheit nie beendet. War der ganze Zoff nur inszeniert?
Ärzte Zeitung online 24.10.11
Ringen um Organspende geht weiter
AERZTEBLATT.DE 24.10.11
Abschied vom Pappausweis gefordert
Götz Hausding
Organspendeerklärungen sollen besser lesbar sein, um ein rechtzeitiges und ordnungsgemäßes Handeln der Notärzte sicherzustellen. Dieser in einer öffentlichen Petition erhobenen Forderung schloss sich der Petitionsausschuss am vergangenen Mittwoch an
Das Parlament Nr. 43, 24.10.11
Unversöhnliche Positionen
Union und SPD haben Gespräche zur Neuregelung der Organspende abgebrochen
SUEDDEUTSCHE.DE 25.10.11
Organspende: Jetzt werden die Weichen gestellt
Siegmund-Schultze, Nicola
Deutsches Ärzteblatt 2011; 108(43) 28.10.11
Anm.: Lesenswerter Artikel, der Fakten aufgreift, die selten bis gar nicht genannt werden.
Mein Herz gehört dir
Neuer Profilierungsversuch von Daniel Bahr
Kommentar von Heike Haarhoff
TAZ 30.10.11
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