Debatte um Widerspruchsregelung bei Organspende

23.06.18: 91. Gesundheitsministerkonferenz für Widerspruchsregelung bzw. verbindliche Entscheidungslösung bei Organspende

23.06.18: 91. Gesundheitsministerkonferenz für Widerspruchsregelung bzw. verbindliche Entscheidungslösung bei Organspende

Bild 91. GesundheitsministerkonferenzDie 91. Gesundheitsminister-Konferenz (GMK) hat im Beisein von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf ihrem zweitägigen Treffen vom 20.-21.06.18 in Düsseldorf unter anderem über das Thema Organspende beraten.

Die GMK werde sich intensiv dafür einsetzen, die Zahl der Organspender zu steigern. Sie appelliert eindringlich an die Ärzteschaft und die Krankenhausträger, in jedem in Betracht kommenden Einzelfall unter strikter Wahrung des Patientenwillens zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Organentnahme gegeben sind.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssten so gestaltet werden, dass die Aufwendungen der Entnahmekrankenhäuser für alle mit einer Organentnahme im Zusammenhang stehenden Maßnahmen einschließlich der Kosten für die Freistellung der Transplantationsbeauftragten vollständig durch die Kostenträger finanziert werden. Die GMK bittet die Bundesregierung, die gesetzlichen Rahmenbedingungen hierfür zu schaffen.

Einführung der Widerspruchslösung bei Organspenden

Des Weiteren haben die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Gesundheit der Länder einen richtungsweisenden einstimmiggen Beschluss zum Thema Widerspruchslösung bei Organspenden gefasst. Darin heißt es unter TOP 10.26:

“Die Bereitschaft der Menschen in unserem Land, im Todesfall Organe zu spenden, um schwerkranken Menschen zu helfen, ist sehr groß. Andererseits geht die Zahl der Organspenden seit Jahren in einem Ausmaß zurück, das angesichts dieser Bereitschaft nicht weiter verantwortbar ist.

Die für Gesundheit zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren Deutschlands halten vor diesem Hintergrund gesellschaftliche und parlamentarische Debatten darüber für erforderlich, ob nicht eine bewusste, verpflichtende Entscheidung jedes Einzelnen für oder gegen eine Organspende im Todesfall bzw. eine Widerspruchslösung der richtige Weg wäre, der in Deutschland eingeschlagen werden sollte.“

Anonymität zwischen Organspender und Empfänger

Ein weiterer Beschluss ging um das Thema Anonymität zwischen Spender und Empfänger. Dazu heißt es unter TOP: 10.16:

„Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Gesundheit der Länder haben einstimmig beschlossen, die Bundesregierung zu bitten, das Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz – TPG) dahingehend zu ergänzen, dass die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen für einen anonymisierten Austausch von Dankesbriefen über die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) erfüllt sind.“

Die GMK ist eine von zahlreichen Fachministerkonferenzen der Länder und dient der Zusammenarbeit und der Koordination der Länderinteressen in gesundheitspolitischen Fragestellungen. Sie ist ein wichtiges Gremium der fachlichen und politischen Beratung und Abstimmung gesundheitspolitischer Themen und Aufgaben zwischen den Ländern. Dabei befasst sich die GMK mit allen wesentlichen Fragen der Gesundheitspolitik.

Alle Beschlüsse der 91. GMK 2018 sind online abrufbar auf der Webseite der Gesundheitsministerkonferenz

Widerspruchsregelung zur Organspende: Ärzte für das Leben e.V. äußern Bedenken

Als Reaktion auf die sinkende Zahl der Organspender in Deutschland werden bereits seit Ende letzten Jahres vermehrt Stimmen in der Politik und in der Ärzteschaft laut, zuletzt in einem Beschluss des 121. Deutschen Ärztetags am 10. Mai 2018, die eine Widerspruchslösung zur Organtransplantation befürworten. Das heißt, dass bei entsprechenden medizinischen und sonstigen Voraussetzung jeder potentiell als Organspender in Betracht kommt, der vorher nicht ausdrücklich widersprochen hat. Auch die Gesundheitsministerkonferenz der Länder teilte am 21.06.18 mit, sie sei „sich einig, dass es einer breiten Debatte darüber bedarf, ob eine Widerspruchslösung der richtige Weg wäre.“

Ärzte für das Leben e.V.Ärzte für das Leben e.V. halten eine solche Regelung für äußerst bedenklich. „Zum einen stellt sie eine frappierende Entmündigung des Bürgers da, die interessanterweise oft gerade von denjenigen gefordert wird, die sonst, etwa wenn es um den assistierten Suizid geht, das hohe Lied der Autonomie anstimmen. Zum anderen werden die diagnostischen Kriterien und sogar das ganze Konzept des Hirntods als gleichbedeutend mit dem Tod des ganzen Menschen durch neuere Erkenntnisse der Neurophysiologie und der Intensivmedizin immer mehr in Frage gestellt“, heißt es in einr Mitteilung des Ärztevereins.

Ein ausführliches Editorial im Zeitschrift der U.S. amerikanischen Bundesärztekammer JAMA von Robert Truog aus der Harvard Medical School habe Anfang Juni auf dieses Problem erneut differenziert hingewiesen.

Rückgang der Organspende-Bereitschaft ein Zeichen einer tiefen Vertrauenskrise bezüglich des Hirntodkonzepts

„Der Rückgang der Organspende-Bereitschaft ist nicht nur, wie von der Deutschen Stiftung Organtransplantation behauptet wird, allein auf organisatorische Defizite in den entnehmenden Zentren zurückzuführen, sondern ist auch Zeichen einer tiefen Vertrauenskrise der Bevölkerung bezüglich des Hirntodkonzepts“, sagte Prof. Dr. Paul Cullen, erster Vorsitzender von Ärzte für das Leben e.V..

„Die Skandale der letzten Jahre rund um die Zuteilung von Organen haben ihr Übriges getan. In dieser Situation sind Zwangsmaßnahmen ziemlich das Letzte, was man machen sollte, um das verlorene Vertrauen wieder zurück zu gewinnen. Vielmehr sollte man eher das gesamte Konzept des Hirntods einer kritischen Beleuchtung unterziehen. In der Zukunft könnte auch die Transplantation von genetisch modifizierten Tier-Organen oder auch Gewebezüchtung mittels dreidimensionalen Drucktechnologie den Bedarf an menschlichen Organen zu senken helfen“, ergänzte Cullen.

Bündnis gegen die Widerspruchs- und Erklärungsregelung bei Organspenden reaktiviert

Bereits bei der Debatte 2011/2012 hat sich ein breites „Bündnis gegen die Widerspruchs- und Erklärungsregelung bei Organspenden“ formiert. Dazu gab es damals einen Appell, der sich klar gegen eine Zwangserklärungslösung oder die Widerspruchsregelung ausgesprochen hat. Das Bündnis wird nun wieder reaktiviert.

Mehr auf der Webseite des Bündnis gegen die Widerspruchs- und Erklärungsregelung bei Organspenden

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