Illustration Debatte um Entscheidungslösung bei Organspenden

25.11.11: Fraktionsübergreifende Einigung: Gruppenantrag zur Organspende geplant

25.11.11: Fraktionsübergreifende Einigung: Gruppenantrag zur Organspende bis Jahresende geplant

In der Debatte um eine Änderung der Organspenderegelung haben sich die Vorsitzenden aller Bundestagsfraktionen bei einem Treffen auf erste gemeinsame Ziele geeinigt. Konkret wollen sie einen gemeinsamen Gruppenantrag zur Organspende einbringen.

Gemeinsamer Gruppenantrag zur Organspende

Illustration Organspende-Einigung - Gruppenantrag zur Organspende„In dem Gespräch der Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU, SPD, FDP, Linken und Grünen unter Beteiligung der Fachpolitiker der Fraktionen wurde vereinbart, zur Organspende einen Gruppenantrag aus der Mitte des Parlaments zu erarbeiten, der von allen Fraktionsvorsitzenden mitgetragen und unterzeichnet wird. Es ist das gemeinsame Ziel, die Zahl der Organspender in Deutschland zu erhöhen.“ Dies erklärten die Bundestagsabgeordneten und fachpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen, Dr. Martina Bunge (Die Linke), Gabriele Molitor (FDP), Dr. Carola Reimann (SPD), Jens Spahn (CDU) und Dr. Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) in einer gemeinsamen Pressemitteilung am 24.11.11.

Wie es darin weiter heißt, sollen „die Information über das und die Konfrontation mit dem Thema regelmäßiger und strukturierter als bisher erfolgen. Dabei soll die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger zur Organspende regelmäßig, etwa mit dem Versand der Versichertenkarte, und mit einer höheren Verbindlichkeit abgefragt werden, mit so viel Nachdruck wie möglich, ohne jedoch eine Antwort zu erzwingen oder Sanktionen auszuüben.“

Noch viele offene Fragen zur Organspendereglung

Abschließend erklärten die Abgeordneten: „Ein konkreter Gruppenantrag als eigenständiger Gesetzentwurf wird nun bis Jahresende durch uns erarbeitet.“ Konkret streben die Fraktionen damit jetzt eine Erklärungs- bzw. Entscheidungslösung an, wie es sich bislang bereits abgezeichnet hat. Leider nach wie vor nebulös und wenig aussagekräftig bleiben die Abgeordneten in ihrer Pressemitteilung, wie sie alles konkret ausgestalten wollen.

Klar scheint nur zu sein, dass es offenbar keine Sanktionen geben soll, wenn sich jemand nicht zur Frage der Organspendebereitschaft entscheiden will oder gar nicht reagiert. Eventuelle Sanktionen hatten Kritiker anfänglich befürchtet und waren auch in der Diskussion Thema. Ebenfalls klar scheint zu sein, dass man nun doch die Absicht hat, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Aber über das Wie dürfte es noch einigen Gesprächsbedarf geben.

Linksfraktion offenbar doch dabei

Das interessante an der Mitteilung ist, dass die Linksfraktion, die Anfang November noch von Gesundheitsminister Daniel Bahr bei der Einladung zum Gespräch nicht berücksichtigt wurde, jetzt offenbar doch mit im Boot ist. Zudem schien es bislang nicht möglich, sich auf eine gemeinsame Initiative aller Parlamentarier zu verständigen.

So hieß es kürzlich in den Medien noch, die Gespräche zwischen Union und SPD seien gescheitert, da man sich offenbar nicht habe darauf einigen können, wie viel Druck ausgeübt werden soll, wenn jemand Anfragen, z.B. der Krankenkassen dazu, ignoriert. (Siehe das Themenspecial vom 11.11.11 unten: Organspende-Regelung: Neue Angebote zur fraktionsübergreifenden Einigung – Gesundheitsministerbrief an die Fraktionen – Linke ausgeschlossen)

Der SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zeigte sich erfreut über das Ergebnis des Treffens. Er erklärte auf der Webseite der SPD-Fraktion: „Viele Menschen warten auf eine Lösung. Die Politik steht in der Pflicht“. Es sei „gut, dass nun Einigkeit darüber bestehe, dass die Einvernehmenslösung durch die Entscheidungslösung ersetzt wird.“ Diese Aussage wirft allerdings die Frage auf, was eine „Einvernehmenslösung“ bedeutet und warum er von einer Entscheidungslösung spricht. Mehr zur Deutung der fraktionsübergreifenden Initiative erläutert Oliver Tolmein recht fundiert in seinem FAZ.NET-Blog Biopolitik vom 25.11.11 (siehe unten).

Kritik: Abfrage der Organspendebereitschaft löst nicht die Kernprobleme

E. BryschKritik an der Einigung des Bundesgesundheitsministers und der Fraktionsspitzen zur Organspenderegelung kam von der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung. „Regelmäßig die Bereitschaft der Bürger zur Organspende abzufragen, löst die Probleme nicht. Heute werden von den 4.000 Hirntoten jährlich nur 1.900 gemeldet. Das ist Organisationsversagen. Deshalb wird es keine Wirkung zeigen, die Anzahl der Ausweisträger zu erhöhen. Das hat keinen Einfluss auf die tatsächliche Anzahl der Organspender“, erklärte Eugen Brysch, Geschäftsführender Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, in einer Pressemitteilung vom 24.11.11.

Hinzu komme, dass die Einigung die existenziellen Ängste der Menschen nicht ernst nimmt: „Werde ich als Organspender trotzdem noch bestmöglich behandelt? Was heißt es eigentlich, hirntot zu sein? Wie stirbt ein Organspender? Welche Kriterien spielen bei der Organverteilung eine Rolle? Tatsächlich brauchen wir mehr Aufklärung und Transparenz“, forderte Brysch.

Die Verteilung von Lebenschancen gehöre unter rechtsstaatliche Kontrolle und dürfe nicht privaten Organisationen wie der Bundesärztekammer, der Deutschen Stiftung Organtransplantation und Eurotransplant im niederländischen Leiden überlassen werden, warnte er. „Zu den Kernproblemen gibt es weiter keine Lösungen. Das ist deregulierte Verantwortungslosigkeit“, erklärte Brysch abschließend.

Ergänzung 04.03.12 und 14.03.12: Neuregelung der Organspende – Einigung unter Fraktionsvorsitzenden für Entscheidungslösung

Nach monatelangem Tauziehen haben sich Fachpolitiker aller Fraktionen des Deutschen Bundestags am 01.03.12 auf eine Neuregelung der Organspende geeinigt. Kurz darauf haben sie einen Gesetzenwturf vorgelegt, über den die Abgeordneten am 22.03.12 erstmals im Deutschen Bundestag beraten sollen.

Mehr dazu im Themenspecial vom 04.03.12: Neuregelung der Organspende – Einigung unter Fraktionsvorsitzenden für Entscheidungslösung.

Weiterführende Informationen:

Presseschau zur Einigung über gemeinsamen Gruppenantrag zur Organspende

Ergänzend gibt es eine Presseschau mit Artikeln zur Einigung der Fraktionsvorsitzenden

Mehr zur Debatte um eine Entscheidungslösung

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