Illustration Debatte um Entscheidungslösung bei Organspenden

11.11.11: Organspende-Regelung: Neue Angebote zur fraktionsübergreifenden Einigung – Gesundheitsministerbrief an die Fraktionen – Linke ausgeschlossen

11.11.11: Organspende-Regelung: Neue Angebote zur fraktionsübergreifenden Einigung – Gesundheitsministerbrief an die Fraktionen – Linke ausgeschlossen

In der Debatte um eine Änderung des Transplantationsgesetzes ist wieder Bewegung gekommen. Nachdem Ende Oktober gemeldet wurde, dass die Verhandlungen zwischen SPD- und Unionsabgeordneten über eine Entscheidungslösung zur Organspende offenbar feststecken, wenn nicht sogar gescheitert sind, heißt es nun Medienberichten von Mitte der Woche zufolge, es werde wieder weiter um eine fraktionsübergreifende Einigung gerungen.

Konkret wollen die Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Chancen dafür bei einem Spitzentreffen mit den anderen Fraktionschefs im Bundestag noch im November ausloten. Dabei soll es um die Festschreibung einer Entscheidungslösung, bei der jeder zur Bereitschaft einer Organspende befragt werden und eine Entscheidung dazu treffen soll, gehen. Knackpunkt scheint aber nach wie vor zu sein, wie viel Druck dabei ausgeübt werden soll, wenn jemand nicht auf die Anfragen, z.B. der Krankenkassen, reagiert.

Bild Bundesgesundheitsminister BahrEnde letzter Woche hat laut Berichten der Süddeutschen Zeitung und der Ärztezeitung online Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) einen eigenen Einigungsvorstoß zur Organspende unternommen. Dazu hat er einen Brief an alle Fraktionsvorsitzenden – mit Ausnahme den Linken – mit ausführlichen konkreten Regelungsvorschlägen verschickt.

Darin wirbt er für die sogenannte Entscheidungslösung, bei der jeder „wiederkehrend“ mit der Organspende konfrontiert werden soll, „jedoch ohne auf Zwang oder Druck bei diesem sensiblen Thema setzen zu müssen“, heißt es in der Ärztezeitung vom 7. November. Der Formulierungsvorschlag könne seiner Ansicht nach gleich mittels entsprechender Änderungsanträge an die Novelle des Transplantationsgesetzes angehängt werden, über die der Bundestag zurzeit im Zuge der Umsetzung einer EU-Richtlinie ohnehin berät.

Vorschlag für Union und SPD nicht weitgehend genug – Linke verärgert über Verhandlungsausschluss

Mit seinem erneuten Einigungsversuch stieß der Gesundheitsminister jedoch auf wenig Gegenliebe. Die Vorschläge seien nicht weitgehend genug, um das Problem der fehlenden Organspender zu lösen, wurde kritisiert. So hieß es aus dem Büro von Steinmeier laut einem TAZ-Bericht vom 08.11.11: „Weder Herr Kauder noch Herr Steinmeier sind für eine Initiative zu haben, die nur den Status quo in der Organspende festschreibt“. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte laut einem Bericht der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 07.11.11, was der Bundesgesundheitsminister da vorschlage, „hilft keinem Menschen“ und würde „wirkungslos verpuffen“.

Brief von G. Gysi an D. BahrDie Linken zeigten sich dagegen verärgert über eine gewisse Ignoranz von Gesundheitsminister Bahr ihnen gegenüber. Denn ihr Fraktionschef Dr. Gregor Gysi hatte den Brief schlicht nicht bekommen, sondern nur aus den Medien davon erfahren. Er sieht seine Fraktion ausgegrenzt, obwohl das Thema eigentlich nicht parteipolitisch ist und keinen Grund dafür bietet.

In einem auf der Webseite der Linksfraktion veröffentlichten Brief von Dr. Gregor Gysi an Daniel Bahr vom 09.11.11 heißt es: „Mir ist natürlich bekannt, dass die Unionsfraktion sich weigert, Anträge mit uns gemeinsam zu verfassen. Das hängt damit zusammen, dass sie noch im Kalten Krieg lebt und dessen Beendigung bisher nicht mitbekommen hat.“ Diese Vorgehensweise dürfe sich aber die Regierung niemals zu Eigen machen, da sie die Regierung des gesamten Landes ist.

Unverständliches Verhalten

„Noch nie hat eine Bundesministerin oder ein Bundesminister ein Ersuchen an die Fraktionen des Deutschen Bundestages gesandt und dabei eine Fraktion ausgelassen. Noch nie haben die Bundeskanzlerin oder frühere Bundeskanzler die Fraktionen zu Gesprächen eingeladen und dabei eine Fraktion ausgelassen. Der erste, der diesen Weg beschreitet, sind Sie. Sie gehören der FDP an, mit der wir regelmäßig Arbeitsgespräche führen. Mir ist Ihr Verhalten mehr als unverständlich“, so Gysi verärgert.

In der Tat stellt sich die Frage, warum FDP-Bundesgesundheitsminister Bahr die Linksfraktion ausschließt, wo doch stets beteuert wird, dass es allein „um die gute Sache“ geht. Derartiges Verhalten zeugt jedoch stark vom Gegenteil.

Ende Oktober hatte zuletzt die Bundesärztekammer ein „Modell einer Selbstbestimmungslösung zur Einwilligung in die Organ- und Gewebespende“ erarbeitet und der Politik zugeleitet (siehe dazu das Themenspecial vom 21.10.11 unten: Bundesärztekammer stellt Modell einer Selbstbestimmungslösung zur Organspende vor – Bundestags-Petitionsausschuss zur Speicherung der Organspendeentscheidung ).

Reaktionen dazu von Seiten der Politik waren bislang noch nicht zu vernehmen. Der Petitionsausschuss des Bundestages hatte sich zudem mit dem Thema Speicherung der Organspendeentscheidung befasst und Empfehlungen abgegeben. Es bleibt abzuwarten, ob und wie diese beiden Dinge in die Verhandlungen einfließen werden.

Weiterführende Informationen:

Pressespiegel zu neuen Organspende-Verhandlungen

Neuer Anlauf für mehr Organspenden
Gesundheitsminister Bahr will die Bürger besser über Transplantationen informieren
JETZT.DE SUEDDEUTSCHE 07.11.11

Bahr lädt zur Organspende ein
Daniel Bahr drängt darauf, die Organspende neu zu regeln. Jetzt bittet der Gesundheitsminister die Opposition an den Tisch mit Union und FDP.
Ärzte Zeitung online, 07.11.11

Bahr unternimmt neuen Vorstoß in Sachen Organspende
AERZTEBLATT.DE 07.11.11

Organspende: Bahrs Flugblattlösung stößt auf wenig Gegenliebe
Von Stefan Sauer
MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.DE 07.11.11

Organspende-Regel nicht für alle
Bahr verschickt Briefe – außer an Linke
N-TV.DE 07.11.11

Streit über Organspende
SPD und CDU beharren auf fraktionsübergreifendem Gesetz, die FDP weigert sich
TAZ 08.11.11

Bahrs Premiere
Die Debatte um Organspenden hat immer mal wieder Konjunktur – nun hat der Gesundheitsminister die Angelegenheit mit einem kleinen politischen Tabubruch bereichert: Daniel Bahr sucht das Gespräch mit anderen Parteien, nicht jedoch mit der Linken.
LINKEBLOGS.DE 10.11.11

Steinmeier und Kauder lassen nicht locker
Ein erneuter Anlauf bei der Organspende:
Ärzte Zeitung online, 10.11.11

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