Illustration Debatte um Entscheidungslösung bei Organspenden

18.05.12: Organspende-Debatte auf der Zielgeraden – Änderung des Transplantationsgesetzes und Entscheidungslösung am 25. Mai im Deutschen Bundestag vor Verabschiedung

18.05.12: Organspende-Debatte auf der Zielgeraden – Änderung des Transplantationsgesetzes und Entscheidungslösung am 25. Mai im Deutschen Bundestag vor Verabschiedung

Illustration Organspende-Gesetz EinigungAm Freitag, den 25. Mai 2012, will der Deutsche Bundestag in zweiter und dritter Lesung über zwei Gesetzentwürfe zur Änderung des Transplantationsgesetzes abstimmen. Die Debatte beginnt laut Parlamentstagesordnung bereits um 9.00 Uhr, insgesamt sind eineinhalb Stunden eingeplant.

Zur Verabschiedung stehen zwei Gesetze: Eines zur Änderung des Transplantationsgesetzes und eines zur Einführung der Entscheidungslösung bei Organspenden. Die erste Beratung beider Gesetzentwürfe gab es bereits am 22. März 2012 im Bundestag (siehe dazu das Themenspecial vom 23.03.12: Friede, Freude, kleine Reiberei – Fraktionsübergreifende Einigkeit bei erster Bundestagberatung über Organspende-Gesetzentwurf zur Entscheidungslösung am 22.03.12).

Inhalte der Gesetzentwürfe

Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Transplantationsgesetzes werden europarechtliche Vorgaben umgesetzt und damit europaweit geltende einheitliche Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Organtransplantation gesetzlich festgelegt. Gleichzeitig wird gesetzlich verpflichtend vorgesehen, dass es in jedem Entnahmekrankenhaus einen Transplantationsbeauftragten geben soll. Zudem sollen Regelungen zur Verbesserung der Absicherung des Lebendorganspenders geschaffen werden.

Der zweite fraktionsübergreifende Gesetzentwurf regelt die Einführung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz. Er sieht vor, dass die bislang geltende erweiterte Zustimmungslösung in eine Entscheidungslösung umgewandelt wird. Das heißt, künftig sollen alle Bürgerinnen und Bürger ab 16 Jahren regelmäßig von ihren Krankenkassen per Post angeschrieben, über die Organspende informiert und zur Abgabe einer Erklärung dazu aufgefordert werden.

Erstmalig soll dies schon in diesem Jahr geschehen, danach alle zwei bzw. fünf Jahre. Hierbei besteht aber die Möglichkeit die Schreiben zu ignorieren und sich nicht zu entscheiden. In dem Fall sollen im Falle einer möglichen Organentnahme nach festgestelltem Hirntod die Angehörigen befragt werden und ihre Zustimmung oder Ablehnung erklären.

Darüber hinaus sollen die Behörden bei der Ausgabe von amtlichen Ausweisen wie zum Beispiel Pass oder Führerschein Informationen zur Organspende ausgeben. Zudem sollen die technischen und datenschutzrechtlichen Voraussetzungen für eine Speicherung der Entscheidung zur Organspende auf der elektronischen Gesundheitskarte geschaffen werden. Die technische Umsetzung soll in einem stufenweisen Prozess erfolgen. Der Gesetzentwurf wurde bereits von knapp zwei Drittel, das heißt 391 der 620 Abgeordneten aus allen Parteien unterzeichnet.

Drei Änderungsanträge geplant

Für die Endabstimmung nächste Woche sollen noch voraussichtlich drei Änderungsanträge eingebracht werden. Ein Änderungsantrag der Grünen bezieht sich auf die Speicherung der Daten auf der Gesundheitskarte und den Zugriff der Krankenkassen. Dies möchten die Grünen aus Datenschutzgründen verhindern. Auch die Linken haben dazu einen eigenen Antrag verfasst. Beide Anträge sind aber noch nicht offiziell eingebracht.

Des weiteren soll es einen Änderungsantrag zur Reform des Transplantationsgesetzes geben, mit dem Bundestag und Bundesgesundheitsministerium künftig ein Mitspracherecht bei der Besetzung des Vorstandes für die Verteilung der Organe zuständigen Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) haben sollen. Der Vorstand der DSO und war in den letzten Monaten stark in die Kritik geratenen. Unter anderem wurde ihnen Vetternwirtschaft und ein teilweise unangemessener Umgang mit Krankenkassengeldern vorgeworfen.

In der Konsequenz trat der kaufmänische Vorstand Dr. rer. pol. Thomas Beck zurück. Der medizinische Vorstand Prof. Dr. med. Günter Kirste bleibt dagegen offenbar noch bis zu seinem Ruhestand Ende des Jahres im Amt. Ein Nachfolger ist bereits im Gespräch. Aber auch an dieser Auswahl gibt es bereits Kritik (siehe dazu unten den taz-Artikel „Ohne Expertise an die Spitze“ vom 18.05.12).

„Schnellschüsse des Gesetzgebers sind keine Lösung“

Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz StiftungKritik an dem Änderungsantrag bezüglich eines stärkeren Mitspracherechts kam von der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung. Ein Mitspracherecht bei der Besetzung des DSO-Vorstands ändere nichts am intransparenten Organspendesystem, so der Geschäftsführende Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch, am 15. Mai in einer Presseaussendung.

„Wir brauchen in Deutschland ein solides, transparentes und verfassungskonformes Transplantationsgesetz. Nur so kann Vertrauen geschaffen werden, damit sich die Bevölkerung für die Organspende entscheidet. Der kurzfristige Änderungsantrag in Bezug auf das Mitspracherecht von Bundestag und Bundesgesundheitsministerium für die Besetzung des DSO-Vorstands wird diese Ziele nicht erreichen“, ist Brysch überzeugt.

„Dass diese Änderung eine Woche vor der entscheidenden zweiten und dritten Lesung vorgelegt wird, zeigt, dass es sich hier nur um einen Schnellschuss als Reaktion auf die fortwährende Kritik handelt. Die Zeit der Schnellschüsse muss ein Ende haben“, forderte Brysch.

Die Patientenschutzorganisation verlangt deshalb, die abschließende Bundestagslesung am 25. Mai zu verschieben, eine Expertenanhörung einzuberufen und „ein Transplantationsgesetz auf dem Weg zu bringen, bei dem nicht private Organisationen, sondern staatliche Institutionen die Verteilung von Lebenschancen regeln.“ Dafür brauche es jedoch Zeit und den Willen, eine tragfähige, transparente Lösung auf den Weg zu bringen.

Schnelle geplante Verabschiedung der Gesetzentwürfe wird Problematik nicht gerecht

Die geplante Verabschiedung der Gesetzentwürfe im Schnellverfahren ohne weitere Anhörung wird in der Tat der Problematik wenig gerecht. Offenbar befürchten laut kritischen Medienbereichten die Initiatoren den wachsenden Widerstand gegen das Hirntodkonzept, das zunehmend in Frage gestellt wird, sowie den Unmut über die Intransparenz der DSO und das Verhalten ihres Vorstands und die zunehmende Kritik am Datenschutz im Zusammenhang mit der elektronischen Gesundheitskarte und möchten das Thema daher schnell vom Tisch fegen.

Hinzu kommt, dass sich jüngst der Deutsche Ethikrat konstituiert hat und eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema Hirntod eingerichtet hat. Diese soll bis zur nächsten Sitzung im Juni das Thema strukturieren. Es stellt sich die Frage, warum nicht abgewartet werden kann, bis der Ethikrat als Beratungsgremium des Parlaments hierzu ebenfalls Stellung bezogen hat. Wobei das Votum nicht unbedingt hirntod-kritisch ausfallen dürfte, wie aus der letzten Experten-Anhörung hervor ging.

Aufruf zum Protest

Kritische Organisationen, Verbände und Einzelpersonen haben noch bis nächsten Donnerstag, 24. Mai Zeit, ihre Einwände und Kritik an den geplanten Gesetzesänderungen zu äußern. Die Namen und Adressen insbesondere aus den Wahlkreisen gibt es auf der Webseite des Bundestages (siehe unten). Zwar haben bereits knapp 400 Abgeordnete den Gesetzentwurf für die Entscheidungslösung unterzeichnet. Gleichwohl sollte kein Mitglied des Bundestages sagen können, er oder sie habe nichts von der Hirntod-Debatte der letzten Jahre und der Kritik an der DSO gewusst.
 

26.05.12, ergänzt am 17.06.12: Bundestag verabschiedet Gesetz zur Entscheidungslösung bei Organspenden und Änderung des Transplantationsgesetzes – Zustimmung des Bundesrates am 15.06.12

Weiterführende Informationen:

Presseschau zur Bundestagsdebatte am 25.05.12 zur Organspenderegelung

Ergänzend gibt es eine Presseschau zur Debatte um die Organspenderegelung.