Bericht 2012/2013 Überwachungskommission und Prüfungskommission TPG

17.08.12: Transplantationsskandal: Keine weiteren Verdachtsfälle in Regensburg – Anhaltende Diskussion über Konsequenzen

17.08.12: Transplantationsskandal: Keine weiteren Verdachtsfälle in Regensburg – Anhaltende Diskussion über Konsequenzen

Symbolbild OrganspendeAuch in dieser Woche stand das Thema Organspende im Mittelpunkt des Medieninteresses. Konkret ging es um eine Überprüfung im Uniklinikum Regensburg auf mögliche weitere Verdachtsfälle von Krankendatenmanipulation im Zusammenhang mit Transplantationen.

Zuvor war bekannt geworden, dass dort in 23 Fällen der Verdacht besteht, dass von einem Arzt Krankendaten im Zusammenhang mit Lebertransplantationen gefälscht wurden, um Patienten an der üblichen Warteliste vorbei vorrangig zu einem neuen Organ zu verhelfen (siehe dazu das Themenspecial vom 04.08.12).

Keine weiteren Verdachtsfälle in Regensburg – Einführung des Sechs-Augen-Prinzips in Bayern

„Die internen Untersuchungen aller Lebertransplantationen an den bayerischen Transplantationszentren haben bisher keine weiteren Verdachtsfälle innerhalb der letzten fünf Jahre ergeben. Auch gibt es an keinem der Zentren im Freistaat Bonuszahlungen für Transplantationen“, erklärte der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch in einer Presseaussendung am 13.08.12 im Rahmen eines Treffens mit Vertretern aller sechs Transplantationszentren sowie des Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit.

Dabei sprach sich Heubisch noch einmal für eine lückenlose Aufklärung der Fälle am Regensburger Universitätsklinikum aus den Jahren 2004-2006 aus. Als Sofortmaßnahme haben die Teilnehmer die Einführung des sogenannten „Sechs-Augen-Prinzips“ beschlossen, bei denen Ärzte aus drei verschiedenen Fachbereichen die Abläufe bei einer Transplantation kontrollieren sollen.

Zudem sollen künftig Transplantationen im Freistaat Bayern stichprobenartig durch unabhängige Experten überprüft werden, kündigte der Minister an. „Damit ist Bayern Vorreiter bei der Evaluierung und daraus resultierend auch bei der Verbesserung der Abläufe und Strukturen an den Transplantationszentren. In einem weiteren Schritt schlage ich ein entsprechendes System auch auf Bundesebene vor. Nur so können wir auf Dauer das Vertrauen der Bevölkerung in die Transplantationsmedizin wieder herstellen“, so Heubisch.

Der Vertrauensverlust der Transplantationsmedizin durch die jüngst bekannt gewordenen Manipulationen sei „enorm“. „Um das Vertrauen der Bevölkerung zurück zu gewinnen gilt es, gerade in diesem hochsensiblen Bereich größtmögliche Sorgfalt walten zu lassen und – unabhängig von den nun angestoßenen Überlegungen zur Änderung des Transplantationssystems durch Bundesgesundheitsministerium, Bundesärztekammer und andere – innerhalb der bayerischen Transplantationszentren durch strukturelle Vorkehrungen noch besser sicherzustellen, dass Unregelmäßigkeiten ausgeschlossen sind“, so der Minister. „Außerdem müssen bisherige Manipulationen aufgeklärt und mit aller Deutlichkeit auch straf- und standesrechtlich verfolgt werden.“

Kleine Anfrage der Linksfraktion zu Verstößen gegen Richtlinien zur Organspende

Vor dem Hintergrund des jüngsten Transplantationsskandals in Göttingen und Regensburg hat die Linksfraktion im Deutschen Bundestag am 8. August eine kleine Anfrage (Drucksache 17/10461) über „Verstöße gegen Richtlinien zur Organspende“ an die Bundesregierung gestellt. Darin möchten die Abgeordneten unter anderem wissen, welche „berufs-, sozial- und strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten“ die Bundesregierung derzeit bei Verstößen gegen Vorschriften im Rahmen der Organtransplantation sieht.

Weiters erkundigt sich die Fraktion danach, in welchem Umfang „die Bundesregierung Ende Juni über den Skandal in Göttingen informiert worden ist“ und welche Informationen sie zu späteren Zeitpunkten erhalten hat. Zudem möchten die Linken wissen, ob die Bundesregierung Forderungen teilt, „die Verantwortung für die Organentnahme und Organvergabe in staatliche Hand zu nehmen und das System nicht weiter der Selbstverwaltung der Ärzte zu überlassen“. Die Antwort der Regierung steht noch aus und wird demnächst erwartet.

Erste Betriebskrankenkasse stoppt Verteilung von Organspendeausweisen

SBKAngesichts der anhaltenden negativen Berichterstattung im Zusammenhang mit Transplantationen stoppt die Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK) ihre für Oktober dieses Jahres geplante Versorgung ihrer einer Million Versicherten mit Organspendeausweisen. Die aktuelle Entwicklung habe die Menschen verunsichert, die Ausweise würden derzeit eher auf Ablehnung stoßen, teilte die SBK am 14. August in einer Presseaussendung mit.

Das kürzlich verabschiedete neue Gesetz zur Entscheidungslösung bei Organspenden, das zum 1. November in Kraft tritt, sieht u. a. vor, dass alle Krankenkassen ihre Versicherten intensiv über die Organspende informieren und allen Kunden Spenderausweise anbieten sollen. Die nach eigenen Angaben größte Betriebskrankenkasse Deutschlands will der gesetzlichen Verpflichtung nun frühestens 2013 nachkommen – „Mitte oder Ende des kommenden Jahres“.

Nicht einfach zur Tagesordnung übergehen

„Wir können nach diesem Skandal nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Die Menschen sind verunsichert und haben ihr Vertrauen verloren“, sagte SBK-Vorstand Gertrud Demmler. Zugleich würden Tausende auf ein neues Organ warten und teils um ihr Leben bangen. „Jetzt müssen alle Fakten auf den Tisch. Wir brauchen handfeste Lösungen, umfassende Transparenz und eine breite Diskussion“, forderte Demmler.

In den kommenden Wochen und Monaten würden die Ausweise eher auf Ablehnung stoßen. „Wir hätten damit eine große Chance vertan. Die wollen wir für uns und die Betroffenen besser nutzen.“ Daher will die SBK in den kommenden Monaten die „Information und Aufklärung intensivieren“. Ziel sei es „mehr Organspender zu gewinnen als jetzt im Umfeld einer emotional aufgeheizten Stimmung“.

Nach wie vor ist die Berichterstattung in den Medien relativ kritisch. Zudem kommen andernorts längst zurück liegende fragwürdige Fälle ans Licht. So berichtete die Tageszeitung taz über einen Fall einer geteilten Leber im Uniklinikum Hamburg 2009, zu dem es Ungereimtheiten gibt. Mehr dazu im Artikel unten. Und auch der umstrittene Hirntod, dem Kriterium für eine Organentnahme, wird verstärkt in den Medien diskutiert. Siehe dazu z.B. den untenstehenden aktuellen lesenswerten Beitrag „Ich widerspreche!“ von Alexander Kissler in „The European“ vom 14. August.

Weiterführende Informationen:

Presseschau zum Transplantationsskandal in Göttingen und Regensburg

Nachfolgend finden Sie eine Auswahl an Meldungen zum Organspendeskandal in Göttingen und Regensburg und den ergriffenen Maßnahmen diverser Akteure. Diese Zusammenstellung wird gegebenenfalls weiter ergänzt.

Weiter zur Presseschau zum Transplantationsskandal in Göttingen und Regensburg

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