21.01.14: Organspender-Zahlen in 2013 weiter stark gesunken – Kritik an fehlender Transparenz und einseitiger Information

21.01.14: Organspender-Zahlen in 2013 weiter stark gesunken – Kritik an fehlender Transparenz und einseitiger Information

Die Zahl der Organentnahmen nach festgestelltem Hirntod sind auch in 2013 massiv zurückgegangen. Nach dem starken Rückgang der Organspenden in 2012 hat sich diese Entwicklung in 2013 noch weiter verschärft, teilte die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) am 15.01.14 in einer Presseaussendung zu den vorläufigen Zahlen aus dem Jahr 2013 mit. Die DSO ist zuständig für die Koordinierung und Förderung der Organspende in Deutschland

Demnach ist die Zahl der Organspender bundesweit um 16,3 Prozent von 1.046 Spender in 2012 auf lediglich 876 gesunken. Dies entspricht einem Durchschnitt von 10,9 Spendern pro eine Million Einwohner, in 2012 waren es noch 12,8 Spender pro eine Million Einwohner. Die Summe der entnommenen Organe sank von 3.511 im Jahr 2012 auf 3.034 in 2013 (-13,6 Prozent).

Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 3.247 Spenderorgane aus dem Eurotransplant-Verbund in Deutschland transplantiert, im Jahr 2012 waren es noch 3.706. Laut einem Bericht der Ärztezeitung vom 15.01.14 sind die jüngsten Zahlen im Vergleich mit den letzten 23 Jahren ein „absoluter Negativrekord“. Selbst bei Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes (TPG) im Jahr 1997 habe die Zahl mit 1079 Spendern deutlich höher gelegen.

Rückgang der Organspendezahlen zieht sich durch alle DSO-Regionen

„Leider sind die Organspendezahlen im vergangenen Jahr weiterhin rückläufig. Diese Entwicklung betrachten wir mit großer Sorge“, betonte Dr. jur. Rainer Hess, Hauptamtlicher Vorstand für Restrukturierung der DSO. In diesem Zusammenhang wies Hess darauf hin, dass die Entwicklung im regionalen als auch im monatlichen Vergleich uneinheitlich sei und immer wieder Schwankungen unterliege. Insbesondere in den Monaten August und November 2013 seien jeweils weniger als 60 Organentnahmen realisiert worden, im Vergleich dazu habe die monatliche Durchschnittserwartung in den letzten Jahren bei ca. 100 Spenden gelegen.

„Der Rückgang der Organspendezahlen zieht sich durch alle DSO-Regionen, wobei er in der Region Nord-Ost mit 9,7 Prozent am niedrigsten ausfällt und in Bayern mit 23,9 Prozent am höchsten“, erklärte Hess. Er appellierte an alle Partner, gemeinsam zu einer Verbesserung der Situation beizutragen. „Unsere Aufgabe ist es, die Krankenhäuser, insbesondere auch die Transplantationsbeauftragten, professionell in ihrer Aufgabe zu unterstützen. Nur gemeinsam können wir für die Organspende das Vertrauen zurückgewinnen, das sie verdient“, so Hess.

Die Organspende werde durch das Transplantationsgesetz klar geregelt. Die DSO sei für die Einhaltung sowie den korrekten Ablauf aller Schritte im Organspendeprozess verantwortlich, erklärte der Jurist. „Kein Patient muss in Deutschland befürchten, wegen einer Organspende von den Ärzten zu früh aufgegeben zu werden“, versicherte Hess. Er plädierte für eine kontinuierliche Aufklärung und Transparenz, um dem anhaltenden Rückgang der Spendermeldungen in vielen Krankenhäusern sowie der verstärkten Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung entgegen zu wirken.

DSO fordert „vorurteilsfreie“ Befassung mit dem Thema Organspende

Angesichts der „erschütternden Jahresbilanz“ für die Organspende in Deutschland appellierte auch der Kaufmännische Vorstand, Thomas Biet, die Organspende als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrzunehmen und den Organspendern und ihren Angehörigen „Wertschätzung und Anerkennung“ entgegenzubringen.

Es wäre aus Sicht der DSO bereits viel erreicht, wenn sich jeder Bundesbürger vorurteilsfrei mit dem Thema Organspende auseinandersetzen und eine Entscheidung treffen würde. Gleichzeitig weist die Koordinierungsstelle auf ihr umfassendes Unterstützungsangebot für Krankenhäuser sowie ihre 24-Stunden-Erreichbarkeit hin.

Bild MontgomeryAuch der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery zeigte sich erschüttert über die rückläufigen Organspendezahlen.

„Der Transplantationsskandal hat das Vertrauen in die Transplantationsmedizin erschüttert und ist der Hauptgrund für die weiter zurückgehende Zahl der Organspende in Deutschland. Wir dürfen aber gerade wegen des Skandals nicht nachlassen, dieses lebenswichtige Thema noch stärker in das Bewusstsein der Gesellschaft zu rücken“, erklärte Montgomery in einem Statement zu den aktuellen Zahlen.

Bundesärztekammer für „vollständige Transparenz“

„Es war richtig und wichtig, dass in den Medien ausführlich über die Verfehlungen in der Transplantationsmedizin berichtet wurde. Wir setzen uns weiter für vollständige Transparenz ein“, versprach Montgomery. Genauso wichtig sei es jetzt aber, die große Bedeutung der Organspende insbesondere für die Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten in der Öffentlichkeit weiter zu thematisieren. „Und wir erwarten, dass die Krankenkassen ihrer Verpflichtung zur Information der Versicherten stärker als bisher nachkommen“, betonte der Bundesärztekammerpräsident.

„Selbstverwaltung und Gesetzgeber haben nach dem Transplantationsskandal ein ganzes Maßnahmenbündel für mehr Transparenz und Kontrolle in der Transplantationsmedizin auf den Weg gebracht. Unter anderem haben wir das Mehraugenprinzips bei der Anmeldung von Wartelisten-Patienten eingeführt und die Befugnisse unserer Prüfungs- und Überwachungskommission erheblich ausgeweitet. Heute können wir feststellen, dass diese Maßnahmen greifen und die Transplantationsmedizin in Deutschland so sicher ist wie noch nie“, so Montgomery abschließend..

Kritik der Deutschen Stiftung Patientenschutz: DSO ist kein Erfolgsmodell

Kritik kam von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Die bekannt gewordenen Zahlen für 2013 von Organspenden und Organspendern seien „ernüchternd und erschütternd“, erklärte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch in einer Presseaussendung. Dieses „historische Tief“ sei jedoch nicht unerwartet. Denn nur 14 Prozent der Organspenden in Deutschland kommen auf Grundlage eines Spenderausweises zustande. Das mache deutlich: Der allergrößte Teil werde nach wie vor durch Angehörige entschieden.

„Zuständig für die Aufklärung in Sachen Organspende ist die private Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO). Die Zahlen für 2013 offenbaren, dass die DSO in 30 Jahren ihres Bestehens hier auf ganzer Linie versagt hat. Denn ohne Transparenz ist kein Vertrauen in der Bevölkerung zu gewinnen. Seither haben die Versicherten hunderte von Mio. Euro ausgegeben für eine Stiftung, die kein Erfolgsmodell ist“, so Brysch. „Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und der Bundestag sind aufgefordert, durch ein staatlich organisiertes System Verantwortung zu übernehmen.“

Kritische Aufklärung über Organtransplantation e.V. (KAO): Menschen lassen sich nicht mehr so leicht für tot verkaufen

Logo KAOFür die Initiative „Kritische Aufklärung über Organtransplantation e.V. (KAO)“ liegen die Gründe für die sinkenden Zahlen weniger an den Transplantationsskandalen, sondern woanders. KAO stellt demgegenüber in einer Pressemitteilung vom 21.01.14 fest, dass der wirkliche Skandal ganz woanders liegt: Nämlich bei der Verweigerung der notwendigen Informationen, die man als Bürger braucht, um sich bewusst für oder gegen eine Organentnahme entscheiden zu können. Auch die gesetzlich vorgeschriebenen Kampagnen der Krankenkassen seien zum größten Teil Werbung, sie erfüllten sogar teilweise den Tatbestand der arglistigen Täuschung, so KAO.

Wenn man Organe von Toten entnehmen und erfolgreich transplantieren könnte, gäbe es bei den über 800.000 Toten pro Jahr in Deutschland keinen Mangel an Organen. In Wahrheit jedoch können transplantierbare Organe nur beatmeten, durchbluteten Patienten im Hirnversagen entnommen werden, die durch die Organentnahme im OP getötet werden. Eine Sterbebegleitung durch die Familie ist dabei nicht möglich. „Die Menschen lassen sich nicht mehr so leicht für tot verkaufen“, meint Gebhard Focke, Vorstandsmitglied von KAO, „Sie informieren sich vielmehr und stellen fest, dass der „Hirntod“ nicht der Tod ist, den wir kennen, sondern eine medizinische Definition, um straffrei Organe entnehmen zu können.“

Enge Zustimmungslösung gefordert

Ende letzten Jahres haben die „Evangelischen Frauen in Deutschland“ (EfiD) eine fundierte Stellungnahme zum Thema Organtransplantation verfasst. Dabei treten sie wie KAO für die enge Zustimmungslösung ein. Das heißt, nur jemand, der für sich schriftlich nach neutraler Information einer Organentnahme zugestimmt hat, darf als Spender in Frage kommen.

„Das Vertrauen in diese Art von Medizin wird sich erst dann wiederherstellen lassen, wenn man nicht einseitig die Interessen der Empfänger, der Krankenhäuser und der Pharmaindustrie in den Mittelpunkt stellt, sondern auch die der potentiellen Spender nach Sterbebegleitung, Schmerzfreiheit und würdigem Abschied – schließlich wird um diese Menschen geworben“, so Gebhard Focke.

Auf seiner Internetseite unter www.initiative-kao.de hält Kritische Aufklärung über Organtransplantation e.V. weitere Hintergrundinformationen und Angehörigenberichte zum Thema Organspende, Transplantation und Hirntod bereit. Ebenso gibt es dort auch einen Nicht-Organspenderausweis.
 

Presseschau zu den Organspendezahlen 2013

21. Januar 2014

Sinkende Organspendezahlen 2013: Menschen lassen sich nicht mehr so leicht für tot verkaufen
Kritische Aufklärung über Organtransplantation e.V. (KAO) beklagt anhaltende einseitige Information pro Organspende
PRESSEMITTEILUNG Kritische Aufklärung über Organtransplantation e.V. (KAO) 21.01.14

17. Januar 2014

Organspende: Herz contra Hirn
Von Cornelie Barthelme
FRANKFURTER NEUE PRESSE 17.01.14

16. Januar 2014

Montgomery im heute journal: Die Transplantationsmedizin ist so sicher wie noch nie
Berlin. Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, hat vor einer Neuauflage der Debatte über eine Widerspruchslösung bei der Organspende gewarnt
MITTEILUNG Bundesärztekammer 16.01.14

Trotz alledem: Deutsche bleiben dem Transplantationssystem treu
SPIEGEL Spam Online 16.01.14

15. Januar 2014

Organspende-Zahlen noch weiter gesunken
Frankfurt/Berlin – Nach dem starken Rückgang der Organspenden 2012 hat sich diese Entwicklung 2013 weiter verschärft.
AERZTEBLATT.DE 15.01.14

Organspende: Ein neuer Negativrekord
Ärzte Zeitung online, 15.01.14

Historisches Tief bei Organspendern verzeichnet
Folge der Transplantationsskandale
FOCUS Online 15.01.14

Zahl der Organspenden auf Rekordtief – Gröhe: Jeder kann Leben retten
RHEINISCHE POST 15.01.14

Zahl der Organspender sinkt auf neuen Tiefpunkt
Die Folgen des Transplantationsskandals sind noch lange nicht überwunden. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation spricht von einer erschütternden Jahresbilanz.
ZEIT Online 15.01.14

Transplantationen: Zahl der Organspenden weiter eingebrochen
SPIEGEL Online 15.01.14

Organspende: Zahlen 2013 zeigen: DSO ist kein Erfolgsmodell
Dazu erklärt der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch:
„Die heute bekannt gewordenen Zahlen für 2013 von Organspenden und Organspendern sind ernüchternd und erschütternd. Dieses historische Tief ist jedoch nicht unerwartet.
PRESSEMITTEILUNG Deutsche Stiftung Patientenschutz 15.01.14

Statement des Präsidenten der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, zu den heute vorgestellten Organspendezahlen
MITTEILUNG Bundesärztekammer 15.01.14

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